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Bilder * Texte * Gedanken


Frauen-Zimmer



Von Frauenzimmern,
Blaustrümpfen, Schreibenden Frauen und
anderen Heldinnen 

Das Buch von den Frauen,
dem eigentlich ersten und ewigen Geschlecht,
durch verschiedene Länder und Zeiten,
bis gerade vorgestern;

wie sie dachten, schrieben, schufen, gebaren,
und wie die Männer sie sahen;
geschrieben in verschiedenen Zimmern,
versehen mit schön anzusehenden Frauenbildern.

Geschrieben von einer Frau,
enthaltend Gedichte, Geschichten, Gedanken,
Lektüren, Ansichten und ein wenig Wissenschaft.
 

 Inhalt:

I. Präludium: Weibliche Bilder – Gedichte und Parabeln

II. Frauen- und Männerbilder – Begriffsklärungen

III. Weibliches Denken – Essays

IV. Weibliche Figuren – Rezensionen und Blogs zu Ausstellungen, Serien und Frauengestalten

V. Goethes Frauen – ein Exkurs

VI. Wie Frauen schreiben – Beiträge und Vorträge zur Geschichte weiblichen Schreibens

 VII. Schreibende Frauen, allein oder im Parallelporträt – Lebens-Geschichten

VIII. Epilog – Eine neue Mythologie weiblichen Schreibens

Leseproben unter:   Lebensbilder  und  Essays


 

Frauenlob 


Woman was not composed of any inanimate or vile dirt, but of a more refined and purified substance, enlivened and actuated by a Rational Soul, whose operations speak it a beam, or bright ray of Divinity. Man was taken out of the Earth, which of its own nature, with the co-operation of Celestial Influxes, is wont to bring forth living creatures: but Woman, above all influence of the Heavens, or aptitude of Nature, without any assisting virtue, or co-operating power, was formed miraculously, by god himself, out of that ribb taken from dormant Adam's side, whereby Man became maim'd and imperfect; and thence ever since, as a needle that hath suffered the magnetick touch, stands alwayes trembling till he looks full on its beloved North, so he can never rest, till by taking a woman, and incorporating her with himself, he retreive that loss, and render himself again intire and perfect.

Heinrich Agrippa von Nettesheim, Von dem Vorzug
und der Fürtrefflichkeit des weiblichen Geschlechts vor dem männlichen

What has literature, what has fiction to offer concerning mother-love, or even concerning father-love, as compared to this vast volume of excitement about lover-love? Why is the search-light continually focused upon a two or three years space of life? Why indeed, except for the clear reason, that on a starkly masculine basis this is his one period of overwhelming interest and excitement. 

Charlotte Perkins Gilman, The Man-Made World

You know an anthill is nothing but a nursery. And how about bees? Don't they manage to cooperate and love one another? Just show me a combination of male creatures, bird, bug, or beast, that works als well, will you? Or one of our masculine countries where the people work together, als well as they do here! I tell you, women are the natural cooperators, not men!

Charlotte Perkins Gilman, Herland

Und es ist vermutlich, daß von Anfang an der menschlichen Gesellschaft das Frauenzimmer dem Mannsgeschlecht an Kunst und Tugend müsse überlegen gewesen seyn, weil fast in allen Sprachen alle Tugenden und Künste weibliche Namen haben, auch allemal weiblich gebildet, über dies weibliche Gottheiten denselben vorgesetzt worden.

Sigmund von Birken, Ansprache an den Leser,
in: Catharina Regina von Greiffenberg, Geistliche Sonette 

You see they who are born with Strength and Courage, and ordinarily, the weak have a stronger instinct, and come nearer to Reason than those to whom Nature hath given other Advantages. Judge you then, according to this order, since Nature has given more Strength and more Courage to Men than to Women, it should have also given more Spirit and Judgement to us. 

Madeleine de Scudery, Les Femmes Illustres

It would be a thousand pities if women wrote like men, or lived like men, or looked like men, for if two sexes are quite inadequate, considering the vastness and variety of the world, how should we manage with one only? Ought not education to bring out and fortify the differences rather than the similarities? For we have too much likeness as it is. 

One has a profound, if irrational, instinct in favour of the theory that the union of man and woman makes for the greatest satisfaction, the most complete happiness. […] And I went on amateurishly to sketch a plan of the soul so that in each of us two powers preside, one male, one female; and in the man’s brain the man predominates over the woman, and in the woman’s brain the woman predominates over the man. The normal and comfortable state of being is that when the two live in harmony together, spiritually cooperating.

Viriginia Woolf, Modern Fiction 

 To be serious, and to quit the Allusion before it be worn thread-bare, I am of Opinion, that Women, that is, Women of Sense and Education (for to such alone I address myself) are much better Judges of all polite Writing than Men of the same Degree of Understanding; and that ’tis a vain Pannic, if they be so far terrified with the common Ridicule that is levelled against learned Ladies, as utterly to abandon every Kind of Books and Study to our Sex.

David Hume, Essays Moral, Political, and Literary

 Unsere Herrschaft über die Frauen ist eine wahre Tyrannei; sie haben uns diese Herrschaft nur ergreifen lassen, weil sie sanftmütiger sind als wir und daher mehr Menschlichkeit und Vernunft besitzen. [...] Aber das ist wirklich eine Ungerechtigkeit: Wir wenden alle möglichen Mittel an, um ihnen den Mut zunehmen; wenn die Erziehung die gleiche wäre, wären auch die Kräfte gleich. 

Montesquieu, Persische Briefe  

 

Ich werde immer mehr irre in meiner Naturgeschichte des Menschengeschlechts, und die Vorzüge, die ich sonst den Männern allein eigen glaubte, gehen mir fast täglich mehr auf die Weiber über. Es ist doch seltsam, daß dermalen wohl schwerlich ein Prinz in Europa lebt, der entschiedene Vorzüge vor seiner Gemahlin haben sollte; und bey den meisten ist es gerade umgekehrt.

Die Kunst zu leben (eine nicht überall genug geschätzte Kunst) gehet ihnen, nebst der Kunst sich zu betragen, für andere und für das Allgemeine zu ordnen und zu sorgen, meist immer ab, und deshalb sind sie unfähig, gut zu regieren. Alles dieses ist dem weiblichen Geschlecht eigener, und sie haben den Vorzug, dem menschlichen Geschlechte nützlicher zu seyn, das durch sie glücklicher wird.

Brief Karl Ludwig von Knebels an Christoph Martin Wieland, 17. Mai 1789 


  Ich behaupte, die Natur erschöpft sich bei der Geburt großer Männer nie so sehr, daß sie nicht für jeden großen Mann wenigstens Eine große Frau in die Welt setzen sollte – wiewohl ich gerne gestehe, daß sie mit beiden nicht sehr verschwenderisch ist. 

Brief Christoph Martin Wielands an Elisabeth zu Solms-Laubach, 16./19.3.1810 

 

Your Quotations put me in Mind of the Fable of the Lion and the Man. The Man walking with that noble Animal, showed him, in the Ostentation of Human Superiority, a Sign of a Man killing a Lion. Upon which the Lion said very justly, We Lions are none of us Painters, else we could show a hundred Men ruled by Lions, for one Lion killed by a Man. You Men are Writers, and can represent us Women as Unbecoming as you please in your Works, while we are unable to return the Injury. You have twice or thrice observed in your Discourse, that Hypocrisy is the very Foundation of our Education; and that an Ability to dissemble our affections, is a professed Part of our Breeding. These, and such other Reflections, are sprinkled up and down the Writings of all Ages, by Authors, who leave behind them Memorials of their Resentment against the Scorn of particular Women, in Invectives against the whole Sex. 

aus: The Spectator, March 13, 1711

 Die Karyatiden sind weibliche Figuren der Architektur mit tragender Funktion. Die Bezeichnung der ebenbürtigen männlichen Skulpturen ist logischerweise weitaus bekannter, sie werden als Atlanten bezeichnet. Die Karyatide trägt nun im Unterschied zum Atlanten, der die Hände zur Unterstützung neben dem Haupt hochhält, die Last frei auf dem Kopf. (...) Die Last der Welt trägt also der Kopf der Frau, während die Männer sich damit abmühen, ihre im Vergleich zur Tierwelt äußerst degenerierten Muskeln spielen zu lassen. Und dabei machen sie soviel Lärm, der den Frauen das Danken verunmöglichen würde, hätten diese nicht die menschenrettende Gabe, selbst bei größtem Kindergeschrei Ruhe bewahren zu können!

Thomas Raab, Der Metzger muss nachsitzen


The Angel in the house

Der Engel arbeitet jetzt in Teilzeit.
Wenn sie hinausgeht in die Welt,
dann legt sie ihre Flügel ab.
Niemand braucht Flügel, wenn
Motoren und Maschinen arbeiten.
Noch schnell ein Post-It für die Putzfrau angebracht:
Bitte bis morgen waschen, bügeln, stärken!

Das weiße Kleid hängt jetzt im Schrank, ganz hinten.
Es ist aus der Mode. Zu rein, zu schlicht, zu lang
Für eine Zeit, die die alles zeigt und nichts verdeckt
Und ständig die Gewänder wechselt, nur damit
die Wirtschaft brummt. (Sie stottert, trotzdem)
Gelegentlich zieht sie es vor, um nachzuschauen,
ob es noch passt. Es würde passen. Aber dann
versteckt sie es schnell wieder,
bevor der Mann es sieht, die Kinder,
oder gar die Putzfrau! Wer braucht
schon einen Engel im vollautomatisierten Haus?

Das Haus bleibt leer derweil, die meiste Zeit. Befremdet
stehen Dinge aufgestapelt, ungepflegt,
nicht mehr gehegt, ein Raub des Staubes und der Zeit.
Noch huschen manchmal Stimmen durch die Flure,
Gelächter, Rufe, Zärtlichkeiten,
ein Kind, das schreit. Dann wird es wieder totenstill.

Im Garten überwachsen Steine. Kein Unkraut
steckt die Nasenspitze vor. Rasenroboter
summen mechanisch. Die letzte Wespe
liegt noch neben der leeren Vogeltränke.
Das Vogelhaus hängt schief.

Ein kleiner Engel sitzt am Gartenteich und guckt auf Kois.
Wenn keiner schaut, breitet er seine Flügel aus.
Und leise geht ein Rauschen durch das Weltall.

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