Zum Gebrauch des Wieland-Handbuchs
Wir leben in handbuchwütigen, geradezu handbuchsüchtigen Zeiten. Wissen heißt das große Schlagwort der Zeit, am besten alles und jedes, möglichst vollständig, unterhaltsam natürlich und bitte sofort und auf einen Blick – wer hat schließlich schon die Zeit, sich einem Thema wirklich und umfassend, vielleicht tage-, jahre- oder gar lebenslang zu widmen? Insofern ist es offenbar ein Zeichen der Zeit, dass es jetzt auch ein Wieland-Handbuch gibt: den "ganzen Wieland", auf einen Blick, vollständig (beinahe), unterhaltsam (natürlich), verfasst von Wieland-Experten aus dem In- und Ausland, verlegt von einem der renommiertesten deutschen Fachverlage, unterstützt von Jan Philipp Reemtsma, dessen Verdienste um Wieland inzwischen ins Nicht-Mehr-Abzählbare gehen – was will man mehr? Nun, eines wird Ihnen weiterhin nicht erspart bleiben: Wieland lesen nämlich. Selber lesen. Möglichst vollständig, garantiert unterhaltsam. Aber lesen ist, das gerät, je weniger die Leute lesen, umso mehr in Vergessenheit, keine ganz einfache Kunst. Wieland hingegen hat das sehr wohl gewusst. In einer kleinen Anekdote mit dem Titel "Wie man ließt" erzählt er von den Leiden des Autors am Falsch-Gelesen-werden und dessen mannigfachen Ursachen:
"Der Autor - sein Name thut nichts zur Sache, aber er ist, in meinem Sinne, noch einer von den besten, die sich izt zu Paris von der Bücherfabrik nähren - spricht von den manchfaltigen Ungemach, dem die Schriftsteller ausgesetzt sind, bis der Tod ihrem Leiden ein Ende macht, und die Zeit ihre Werke entweder in den Abgrund der Vergessenheit gestürzt, oder, zu spät für den armen Autor! mit Preis und Unsterblichkeit krönt. Das Unglük, obenhin, unverständig, ohne Geschmak, ohne Gefühl, mit Vorurtheilen, oder gar mit Schalksaugen und bösem Willen gelesen zu werden - oder, wie die meisten Leser, die nur zum Zeitvertreib in ein Buch gucken - oder zur Unzeit, wenn der Leser übel geschlafen, übel verdaut, oder unglüklich gespielt, oder sonst ein Mangel an Lebensgeistern hat - oder gelesen zu werden, wenn gerade dieses Buch, diese Art von Lectüre unter allen möglichen sich am wenigsten für ihn schikt, und seine Sinnesart, Stimmung, Laune, mit des Autors seiner den vollkommensten Contrast macht - das Unglük, so gelesen zu werden, ist nach der Meynung des besagten Autors, keines von den geringsten, welchen ein Schriftsteller […] sich und die armen ausgesezten Kinder seines Geistes täglich und unvermeidlich bloßgestellt sehen muß. Unter hundert Lesern kann man sicher rechnen von achtzig so gelesen zu werden; und man hat noch von Glük zu sagen, wenn unter den Zwanzig übrigen etwan Einer ganz in der Verfassung ist, welche schlechterdings dazu gehört, um dem Werke das man ließt (und wenn's auch nur ein Madrigal wäre) sein völliges Recht anzuthun."
"Wie man ließt"– heutzutage spricht man etwas hochtrabender von "Kulturtechniken" -, zu vermitteln also, wie man im speziellen Wieland lesen könnte, ist denn das Grundanliegen dieses Kompendiums, und das auch abseits der eher sparsam betretenen Pfade der Wieland-Forschung und -vermittlung im Studienalltag an deutschen Hochschulen. Ich möchte Ihnen Konzept, Gliederung und Zielsetzung des Wieland-Handbuchs im folgenden kurz anhand von vier verschiedenen Zugangsweisen demonstrieren; ich nenne sie, um auch ein wenig augenzwinkernd hochtrabend akademisch zu werden, die "prälektorale", die "postlektorale", die "themenzentrierte" und die "totalitäre" (oder vielleicht etwas weniger bös assoziiert, die "ganzheitliche") Funktion.
(1) Die prälektorale Funktion, zum ersten, besteht darin, Ihnen Auswahlkriterien für Ihre Lektüre zur Verfügung zu stellen. Sie können dazu beispielsweise zu ersten Annäherung an den Autor den umfangreichen Biographie-Artikel lesen, der ihnen einen fundierten und spannenden Überblick über Person, Gesamtwerk und Zeithintergründe vermitteln wird. Die etwas härter gesottenen Leser können diesen Ersteindruck dann anhand der Artikel zu Rezeptions- und Forschungsgeschichte vertiefen. Sie überschlagen dann am besten vorerst den zweiten Teil und stürzen sich auf die nach Genres unterteilten Artikel zu Wielands Einzelwerken – also nicht nur seinen noch halbwegs bekannten Romanen, sondern auch seinem religiösen und dramatischen Frühwerk, seinen Versepen und Märchen, seinen Essays und Briefen, seinen Übersetzungen. Wer hier nicht etwas nach seinem Geschmack findet, dem ist auf Erden nicht zu helfen. Also: prälektoral – suchen Sie sich Ihren Favoriten! – und dann lesen Sie ihn.
(2) Die postlektorale Funktion, zum zweiten, besteht darin, Ihnen nach der Lektüre Hinweise für ein vertieftes oder erweitertes Verständnis zu geben. Sie haben also bereits gelesen – und zwar so, wie man nach Wieland richtig liest –, wollen nun aber mehr wissen: zu Entstehung und Aufnahme des Werks, zu seinen Querbeziehungen im Gesamtwerk, zu Motiv- und Themenkomplexen, zur Formgestalt, zum Verhältnis zur Tradition und zu literarischen Vorbildern, zu Interpretationsansätzen der Forschung vielleicht gar. All das enthalten, nach einem gewissen Schema, um die Orientierung zu erleichtern, die bereits erwähnten Werkartikel. Sie decken natürlich nicht das Gesamtwerk bis hin zur letzten Herausgeberanmerkung Wielands im Teutschen Merkur oder dem verstecktesten apokryphen Frühwerk ab; Sie werden aber das meiste finden, das bekannteste sowieso und dieses und jenes etwas entlegenere (notfalls im Register, das auch die manchmal etwas verwirrenden verschiedenen Werktitel aufführt). Postlektoral werden Sie, hoffentlich, das bereits einmal Gelesene noch besser verstehen – und am besten noch einmal lesen.
(3) Die themenzentrierte Funktion, zum dritten, wenden Sie am besten an, wenn Sie sich schon ein wenig in Wielands Zeit, deren Debatten und Diskurse eingelesen haben und an etwas Bestimmten interessiert sind – dem Verhältnis Wielands zur französischen Revolution beispielsweise, seiner Rolle in der Debatte um ein international konkurrenzfähiges deutsches Musiktheater, seiner Stellung zu den wichtigen philosophischen Strömungen der Zeit. Hier nun kommen die anfangs so schnöde bei Seite geschobenen "Überblicksartikel" des zweiten Teils zu ihrem Recht: In ihnen geht es, jeweils im "Überblick" über das Gesamtwerk eben, um die Situierung von Wieland in den "Diskursen seiner Zeit" – also: Wieland und – die Religion, die Künste (und zwar alle), Wieland und die Philosophie, die Politik, die Wissenschaften, die Weltliteratur. Dabei werden Sie Bekanntes finden – über die besondere Stellung, die die Antike in seinem persönlichen Literaturkanon einnahm, beispielsweise, oder seine persönliche Wandlung vom Religionsschwärmer und Tugendenthusiasten zum Skeptiker und Aufklärer, – aber vielleicht auch Unbekanntes. "Themenzentriert" also: Wieland für Fortgeschrittene. Und dann weiterlesen…
(4) Damit zum Schluss, der ganzheitlichen/totalitären Lektüre. Sie können natürlich auch – und das würde die Herausgeberin selbstverständlich am glücklichsten machen – das ganze Buch von vorn bis hinten lesen, von den einleitenden Vorüberlegungen zum "Verlust eines Nationalautors oder der Schwierigkeit Wieland zu lesen" bis zum Buchstaben Z des Personenregisters (der letzte Eintrag gilt Johann Friedrich Zückert, einem der bekannteren "philosophischen Ärzte" der Zeit, dessen Übersetzung von Laurence Sternes Tristram Shandy Wieland verreißt). Einiges wird sich dabei wiederholen, anderes wird sich widersprechen, vieles wird sich jedoch hoffentlich runden und ergänzen – zum Bild eines "Nationalautors" vielleicht, den die Zeitgenossen so verzweifelt suchten; zum Bild eines Klassikers, der unaufhörlich um sprachliche und künstlerische Perfektion bemüht war und niemals aufhörte, an seinen Werken zu feilen; zum Bild eines Aufklärers ganz sicherlich, der sowohl als Popularphilosoph im besten Sinne als auch als Poet am großen Projekt des 18. Jahrhunderts mitarbeitete, der Aufklärung und Vervollkommnung des Menschen. Schließlich aber auch zum Bild eines Menschen mit langer Lebenserfahrung, warmen Herz und kühlem Verstand – jedes an seinem Platz, wohlgemerkt; mit Spott, wo er therapeutisch wirkte, und Begeisterung, wo die Sache sie erforderte; und mit einer so unerschöpflichen Phantasie, dass seine Texte ihn wohl noch lange überleben werden – ob mit Wieland-Handbuch oder ohne.
Lucian der Jüngere muss sterben, oder:
Wie Wieland einmal versuchte,
eine wirklich böse Satire zu schreiben
und sie dann doch verbrannte
Im Nachlass des Schweizer Arztes und Philosophen Johann Georg Zimmermann in Hannover findet sich ein Briefentwurf von Christoph Martin Wieland. Es sind zwei handbeschriebene Seiten in französischer Sprache, sie richten sich an Madame Zimmermann, die Ehegattin des Arztes. Mit beiden war Wieland in seiner Schweizer Zeit eng befreundet. Der Brief ist nicht datiert, was dafür spricht, dass es sich um einen nicht abgesandten Entwurf handelt (die Gründe dafür werden noch klar werden). Wieland schreibt (in deutscher Übersetzung):
Ich habe meinen Brief noch einmal gelesen, und ich komme mir ziemlich lächerlich vor, dass ich mir die Erniedrigung in Ihrer Meinung derart zu Herzen genommen habe, über welche ich mich beruhigen werde: Alles in allem, meine liebe Frau, was sind wir Menschen als sehr kleine und sehr verrückte Kreaturen, die auf einem sehr kleinen Atom in einer sehr kleinen Ecke des Universums herumkrabbeln, das wir Sonnensystem nennen? - es kommt uns nicht zu, dass wir eine zu hohe Meinung von anderen oder eine zu niedrige Meinung von uns selbst haben! Wir sind ungefähr der eine so gut wie der andere. Wir werden uns lieben, ohne uns darum zu bekümmern, ob wir groß oder klein sind - der glückliche Mann ist ebenso wertvoll wie der große Mann.
Bitte fragen Sie den Herrn Doktor, ob er von einem kleinen Buch weiß, das Herrn de Voltaire zugeschrieben wird, das sich Candid oder Optimismus nennt - eine Broschüre, die des Autors von Mahomed und Semiramis unendlich unwürdig ist. So sind diese großen Genies. Die meisten von ihnen sind nicht die Fingerspitze meiner lieben Frau Zimmermann wert.
Sagen Sie mir, ich flehe Sie an, und sagen Sie es, ohne etwas zu verbergen, was Sie von Lucian, dem Jungen, gehalten haben. Ich fange an mit einzubilden, dass ich ein sehr albernes Werk gemacht habe. Ihr Urteil und das von Herrn Z. wird über sein Schicksal entscheiden. Niemand verbrennt seine Werke kaltblütiger als
Euer bescheidenster Diener.
Es ist offensichtlich, dass dem Briefentwurf eine Art Zerwürfnis vorausgegangen sein muss, und Wieland gibt sich mit einigen rhetorischen Tricks große Mühe, den dadurch entstandenen Riss in der Freundschaft zu flicken: Schließlich neigten alle Menschen dazu, sich selbst zu unter- und andere zu überschätzen, was angesichts der kosmischen Winzigkeit des Menschen überhaupt schon ziemlich lächerlich sei. Denn wichtig sei am Ende des Tages doch nur, dass man sich gegenseitig liebe und wertschätze; große Männer seien hingegen überschätzt. Nachdem Wieland im ersten Absatz diese ‚goldene Mitte‘ als Ideal etabliert hat, macht er einen thematisch gar nicht so weit hergeholten Sprung zu Voltaire – einem großen Mann der Zeit nämlich, der sich aber mit seinem neuesten Buch, Candide ou le Optimisme, als „unwürdig“ eben dieser Liebe erwiesen habe. Schließlich kommt Wieland im letzten Absatz auf ein eigenes Werk mit dem Titel Lucian, der Junge zu sprechen; offensichtlich hatte er es Madame und dem Doktor (Zimmermann) zugeschickt, um ihr Urteil darüber zu erhalten. Er befürchtet aber inzwischen selbst, dass diese Arbeit nicht besonders gelungen sei („sehr albern“) und bietet am Ende die Verbrennung des Manuskripts an.
Der kleine Briefentwurf zeigt konzentriert, wie Wieland in dieser frühen, prägenden Zeit in der Schweiz denkt und arbeitet. Bedauerlicherweise hat er seine Drohung, das angesprochene Werk, das in deutschen Briefen unter dem Titel Lucian der Jüngere firmiert, zu verbrennen, wirklich wahr gemacht. Das ist ein durchaus ungewöhnlicher Vorgang für einen Autor; ein Werk, in das man immer konzentrierte Arbeit, vor allem aber Herzblut gesteckt hat – und dass in dieser Schrift auch einiges Herzblut des jungen Wieland steckte, wird zu zeigen sein –, zu vernichten, es brennen zu sehen – das erfordert einen wahrlich nicht geringen auktorialen Kaltsinn. Warum aber musste Lucian der Jüngere verbrannt werden, womit hat er dieses Schicksal verdient? Er war zwar noch nicht besonders weit gediehen; aber dass Wieland große Pläne mit dieser seiner ersten literarischen Prosaschrift gehabt hat, lässt sich aus Briefen rekonstruieren. Von Anfang an jedoch hatte er auch stilistische und inhaltliche Vorbehalte dagegen gehabt: Denn es würde sein erster Versuch im Genre der Satire sein, einer altehrwürdigen antiken Gattung, in dem Lukian von Samosata, einer von Wielands literarischen Hausheiligen, sich hervorgetan hatte. Die Satire jedoch war auch eine gefährliche, seit ihrer Entstehung häufig kritisierte Gattung; machte sie sich doch lustig über alles und Jeden, und das war für den idealistischen Schwärmer, der Wieland zu dieser Zeit noch war, ein Problem. Das zeigt auch sein absprechendes Urteil über Voltaires (der zumindest später definitiv auch einer seiner Hausheiligen werden sollte) Universalsatire Candide, die mit dem Leibniz’schen Konzept der besten aller möglichen Welten abrechnete, indem sie überanschaulich zeigte, dass man in dieser Welt doch besser von der schlechtesten aller möglichen Welten sprechen sollte – ein Satz, den Wieland auch später niemals unterschrieben hätte.
Unwürdig also, das war Wielands Urteil über den Candide gewesen; und wahrscheinlich nagte in ihm der Verdacht, auch sein Lukian der Jüngere könnte, wenn er selbst seiner soeben neu entdeckten satirischen Spottlust allzu freie Bahn ließ, leicht ein ebenso unwürdiges Werk werden. Der abgeschiedene Schatten von Lukian dem Jüngeren steht damit in Wielands Leben und Werk an einer Wegscheide. Er selbst hätte es vielleicht in das von ihm so geliebte Bild des ‚Herkules am Scheideweg‘ gepackt; ein Stoff, den auch Lukian in seinem autobiographischen Traum aufgenommen hatte: Der junge Heros muss sich entscheiden zwischen einen Leben im Dienst der Tugend, dargestellt meist durch eine eher unattraktive Dame von großer Ernsthaftigkeit, und einem Leben im Genuss der Wollust, vertreten durch eine recht freizügige gekleidete und eher scherzhafte Dame. Wielands junges, mit großen Ambitionen angetretenes Autorleben drohte im Hauslehrerdasein in der Schweiz zu versickern: freche, sich gelegentlich prügelnde, an der Weisheit der Alten nur mäßig interessierte Schulknaben, reizvolle Damen der gehobenen Schweizer Gesellschaft, mit denen man ein wenig empfindsam tändelte, gelegentlich ein freundlich weggelobtes Projekt zur Verbesserung der Pädagogik und der Schweizerischen Republiken – das konnte doch nicht alles gewesen sein? Und auch das Genre der christlich-heroischen Versdichtungen, mit denen er sich den freundlichen Empfang beim Dichterfürst Bodmer erschlichen hatte, erschöpfte sich allmählich. Natürlich hätte Wieland weiter gelenkige, verführerisch dahinströmende Verse ohne Ende machen können, in denen er die christlichen Helden und zur Abwechslung auch mal den Preußenkönig pries, aber war das wirklich das, was er als Autor wollte? Sollte er sich nicht doch lieber der eher leichtfertigen, verführerischen anderen Dame zuwenden? Ein wenig Prosa, ein wenig Philosophie, und auf jeden Fall: mehr zum Lachen?
Vor dieser Entscheidung steht Wieland zur Zeit der Abfassung von Lukian dem Jüngeren. Wir schreiben das Frühjahr 1759, seine Zöglinge in Zürich sind soeben flügge geworden, und Wieland braucht einen neuen Job. Die Schweizer Freunde bemühen sich ihn unterzubringen, es gibt Angebote aus Zürich, dort neue vielversprechende Jünglinge zu erziehen, was Wieland zunächst nicht gerade verlockend erscheint, zumal er seine Zürcher Freunde und die sehr reale, verführerische „Melissa“ (eine andere Geschichte) verlassen müsste. Freund Zimmermann hatte ihm zwar nicht ungeschickt Bern schmackhaft zu machen versucht, aber Wieland lehnt vorerst noch ab: „Und nach dem Portrait, das Sie mir von B. gemacht, und welches nicht anders ist, als ich mir eine Aristocratie mit französischen Sitten vorgestellt habe, preferire ich Zürich bey weitem“. Es ist nicht unwichtig, dass Wieland hier das entlegen erscheinende Argument der Staatsform erwähnt; es wird in seinen literarischen Plänen dieser Zeit eine große Rolle spielen. Als Anfang April ein konkretes Angebot für eine Hauslehrerstelle in Bern kommt, sagt er trotzdem sofort zu; schließlich muss man leben. Vorher jedoch macht er noch eine Reise zu Freund Zimmermann; mehrere Tage bringt er bei dem Brugger Stadtphysikus zu und lernt die charmante Madame Zimmermann kennen, mit der er dann ebenfalls für kurze Zeit in Korrespondenz tritt. In einem schwärmerischen Brief schreibt er unmittelbar nach der Rückkehr aus Brugg noch leicht (oder doch eher kalkuliert?) berauscht: „Alles was ich Ihnen sagen kann ist daß Sie mir nicht nur das schönste Beyspiel von der Tugend sondern auch die stärkste Anreitzung zur Selbigen gegeben haben“. Nach Brugg mitgenommen hatte er im Übrigen sowohl die Manuskripte des Cyrus, einem Heldenepos cum Fürstenspiegel, als auch die ersten Kapitel zu Lukian dem Jüngeren. Für beide bittet er vor und nach dem Besuch nicht nur um das fachmännische Urteil von Zimmermann als Autor und Kollege, sondern auch um das sozusagen moralisch-empfindsame von Madame Zimmermann als prototypische Leserin.
Es sind aber nicht nur diese beiden Werke, an denen Wieland zwischen März und Juni 1759 arbeitet. Gleichzeitig trägt er sich mit einer Reihe von großen Plänen, von denen nur die wenigsten verwirklicht werden; man kann einen für junge Autoren typischen Enthusiasmus des Entwerfen, Planens, Ankündigens beobachten, befeuert durch die tägliche Lektüre ebenso wie den Austausch mit Freunden, durch Karrierepläne ebenso wie durch sich weiterentwickelnde persönliche Neigungen. Neben seinen pädagogischen Interessen – gerade hatte er einen Plan für eine Ritterakademie an den Grafen von Durlach geschickt, es wird aber nichts daraus – kristallisieren sich nun immer stärkere philosophische Ambitionen heraus. Am ehrgeizigsten mutet der Plan für eine Zeitschrift im Geist des englischen Spectator an, den Wieland und Zimmermann sogleich etwas skrupellos verwenden, um für ihn in seinem neuem Wirkungsort Bern Werbung zu machen. Isaak von Iselin, Geschichtsschreiber und Ratsschreiber in Basel (ein Brotjjob, der dann auch in gar nicht allzulanger Zeit Wielands Schicksal sein würde), schreibt danach an den Schweizer Reformpädagogen Philipp Emanuel von Fellenberg über Wieland nicht wenig enthusiastisch:
„Herr W. ist vielleicht der am wenigsten bekannte Mann in ganz Europa und derjenigen, der es am meisten zu werden verdient. [...] Wir haben vielleicht geglaubt, dass er ein Mann wäre, der sich auf bestimmte Wissenschaften beschränkte, und ich sehe, dass er ein universeller Geist ist, ein Mann, der alles weiß, was es wirklich verdient gewusst zu werden. Er hat eine profunde Kenntnis der Geschichte, der Politik, der Gesetzgebung, des Geistes aller Länder und aller Jahrhunderte. Er verachtet seine Nation und legt unendlichen Wert auf die Griechen, die Engländer und die Franzosen. Die beiden Modernen, die er vor allem schätzt, sind Shaftesbury und Diderot. [...] Sein Cyrus, der unter der Presse ist, ist meiner Meinung nach ein für jedermann verständliches Werk, ein Werk, das nicht weniger als allen Ländern in allen Jahrhunderten gefallen wird. Ein weiteres Prosawerk, über das ich nicht sprechen darf [Lucian], ist das geistreichste, das erfindungsreichste, das vergnüglichste und lehrreichste, was man lesen kann. Herr W wird es Ihnen vielleicht anvertrauen. Aber das Schönste werden die Blätter im Geschmack des Zuschauers sein, die er nach Bern geben wird und die dem Mann von Genie, den mittelmäßigen Geistern und den Narren die außergewöhnlichen Talente und die Universalität des Wissens unseres Freundes beweisen werden.“
Drei Werke werden hier genannt: Das Epos Cyrus, das er auch in Brugg bei Zimmermann mit sich führte und das sich nun im Druck befindet; als zweites ein namenloses geheim zu haltendes Prosawerk, in Superlativen als das geistreichste, erfindungsreichste, vergnüglichste und lehrreichste Werk schlechthin gepriesen – und man kann wohl sicher davon ausgehen, dass es sich hier um den noch nicht verbrannten Lucian handelt. Und schließlich wird als das „Schönste“ das Zeitschriftenprojekt angekündigt; eine Zeitschrift, die sich an ein breites Publikum wende, hin von den Spezialisten bis zu den „Narren“, den imbeciles, endgültig Wielands Universalität unter Beweis stellen werde und ihn als Mann des Wissens und des Überblicks, nicht nur als schöngeistigen Literaten etablieren werde also in jeder Hinsicht ein Gewinn für Bern und ein Verlust für Zürich!
Wieland hatte in einem ausführlichen Brief an Zimmermann auch schon eine Liste von Themen aufgestellt, die diese neue Zeitschrift (die wohl von ihm allein zu bestücken gewesen wäre) behandeln würde; darunter „Gemälde des Menschen in allen Gestalten, die ihm die Verschiedenheit des Climats, der Policey, der Religion giebt“ (also ein Thema der sich gerade erst etablierenden Geschichts- und Kulturphilosophie) sowie Ausführungen zu den unterschiedlichen Staatsformen, einem sozusagen ‚hohen‘ philosophischen Standardthema. Dabei versprach Wieland vor allem die „Vortrefflichkeit der Aristocratie“ zu beweisen sowie Sparta und Athen zu vergleichen, also eine Demokratie und eine Aristokratie (wir erinnern uns: Zürich war von ihm als Aristokratie wahrgenommen worden, Bern ist eine traditionsreiche ständische Republik). Besonders klar wird aber der philosophische Schwerpunkt der Zeitschrift umrissen: Es werde gehen um die Vorurteile gegen die Philosophen, um die Idee eines Philosophen, um Hindernisse eines Philosophen; ergänzt durch „Gemälde” von Zoroaster, Confutsius, Pythagoras, Socrates, Platon, Zeno, Epicur, Plutarch, Lucian, Antonin, Julian. In Bezug auf Lukian den Jüngeren ist nicht nur die Liste interessant, in der Lukian ganz selbstverständlich als Philosoph auftaucht. Auch die Rettungsversuche der Philosophie gegen ihre Kritiker verweisen direkt auf Lukian, der sich in seinen Satiren wiederholt über eine bestimmte Art von Philosophie lustig gemacht hatte und zwar vor allem am Beispiel der von Wieland namentlich genannten Personen! (Rettungen sollten später überhaupt eines von Wielands Lieblingsgenres werden; man denke nur an die Geschichte des Philosophen Peregrinus Proteus, die im übrigen ebenfalls auf die Darstellung bei Lukian zurückgeht).
Allerdings changiert Wielands Meinung von der Philosophie und vor allem von den Philosophen in dieser Zeit noch ziemlich. In Briefen an Zimmermann rechtfertigt er sein spezielles Interesse am Verhältnis von Philosophie und Poesie; er sei keineswegs generell ein Feind des ésprit, möge aber ausgerechnet den des Voltaire’schen Candide nicht besonders. Ansonsten müsste man im Interesse der Philosophie die Philosophen ruhig machen lassen: „Pain cuit et liberté, voilà qui suffit pour eux!“ Das ist ein schönes Beispiel für ironisches Bathos: Man gebe den Denkern „gebacken Brot“ – also eine einfache Lebensgrundlage – und Freiheit – das elaborierteste moralische und politische Gut der Menschheit; der Rest erledigt sich dann quasi von selbst (Lukian hatte in seinen philosophiekritischen Satiren die Neigung bestimmter Philosophen beklagt, Wasser zu predigen und Wein zu trinken, und zwar möglichst den teuersten und besten….). Keinesfalls aber seien Philosophen von Natur aus die „großen Männer“ (der Begriff, der auch im Briefentwurf an Madame Zimmermann auftaucht), für die sich selbst zu halten neigten; nein, sie seien auch nur Menschen, und in einem anderen Brief an Madame Zimmermann heißt es mit einem etwas überraschenden Beispiel aus einem anderen Lektürekontext:
„Wenn ich von großen Männern, großen Genies, Philosophen usw. erinnere ich mich ich sofort an den guten König Salomo, der all das war und nicht weniger närrisch war, und ich flüstere zwischen meinen Zähnen; Vanitas Vanitatum. Tausend Komplimente an Frau Zimmermann. Ich würde lieber eine Frau wie sie heiraten als den größten Philosophen des Universums“.
Man sieht in dieser Zeit nicht nur, wie eine dem Menschlichen stark angenäherte Philosophie langsam beginnt, die gedankliche Herrschaft über Wieland zu übernehmen; man kann auch sehen, wie sich sein Schreiben dadurch verändert. Bezüglich der geplanten Wochenschrift verspricht er Zimmermann, passenderweise zum Vorbild des Spectator in englischer Sprache, die größtmögliche „Correctness and Chastity of Stile“ (also durchaus einen Gegenpol zur bildlich gelegentlich ausschweifenden Sprache der Versepen); und er kündigt an:
„Ich habe über die Art wie der Poet, der Heldendichter, und der Dichter des Cyrus schreiben soll, so lange gedacht, bis ich auf den Grund kam. Ich werde eben so scharf über die Art denken wie ein Philosoph schreiben soll, der in Prosa für die Menschen schreibt.
Die Prosa ist die neue Herausforderung für Wieland, und die Philosophie sein neues Thema; beides, Stil und Inhalt, gehen Hand in Hand.
Dazwischen kommt jedoch zunächst das bereits erwähnte Zerwürfnis; und es ist kein Zufall, dass es sich über stilistische Fragen entwickelt (die inhaltlichen Schwerpunkte sind weitgehend unstrittig). Wieland hatte Zimmermann und seiner Frau, wie erwähnt, immer wieder Teile des Cyrus zur Beurteilung zugeschickt. Dabei hatte er in einem umfangreichen Brief zunächst hervorgehoben, dass allzu viele Leser dazu neigten, die formale stilistische Leistung des Autors geringzuschätzen:
„Die meisten Leser bilden sich ein, der Verfasser habe mit eben der Leichtigkeit gearbeitet, mit welcher sie ihn lesen. Sie denken nicht, mit welcher Wahl, mit welcher Ueberlegung, mit welcher Strenge er sein eigener Aristarch gewesen, und noch weniger fällt ihn einen., daß ein Verfasser (vorausgesetzt, daß er kein Stümper sey) nothwendig besser wissen muß, als irgend einer von seinen Lesern, wie er sein Werk erfinden, ordonniren, dessiniren und ausmalen müßte.“
Sein eigener Aristarch – das nun ist nicht direkt Lukian (der aber immerhin auch über den biederen Grammatiker spottet), sondern Horaz, der das Bild des antiken Philologen und Direktors der Bibliothek von Alexandria Aristarchos von Samothrake als strengen Sprach- und Literaturkritiker in seine Epistulae etabliert hatte. Bis an sein Lebensende blieb Wieland ein getreuer Schüler des Horaz, der seine Schriften wieder und wieder polierte, und, wenn sie sich als polierungsresistent erwiesen – wie wohl der Lukian –, auch „kaltblütig“ vernichtete. Vorerst jedoch fordert er Zimmermann, nachdem er zunächst vor einer allzu oberflächlichen Kritik gewarnt hatte, trotzdem geradezu energisch zur Kritik am Cyrus auf; es müssten jedoch „Kritiken en détail“ seien, und wenn sie überzeugend seien, würde man sehen: „Ich bin nicht nur geneigt, der Kritik Wörter und Verse, sondern ganze Stellen aufzuopfern“!
Leider ist der Brief mit den Anmerkungen und Korrekturen, den Zimmermann bald darauf schickte, nicht erhalten. Aus Wielands Antwortbrief vom 2. Juni kann man jedoch ziemlich genau rekonstruieren, wie die Kritik war: nämlich umfangreich, hart, und, wie gewünscht: ins Detail gehend – aber mit einer gewissen Neigung zu verabsolutierten kunstrichterlichen Machtsprüchen („deleatur!“) und sehr rigiden Auffassungen, wie man die deutsche Sprache denn zu benützen habe. Wieland ist empört, zutiefst empört. Noch im vollen Zorn des verletzten Autors und Grammatikers setzt er sich hin und verfasst die erste Antwort; sie beginnt mit ironischer Distanz:
„Ich danke Ihnen sehr, mein werthester Herr, für Ihre critischen Anmerkungen. Aber ich muß Ihnen mit Erlaubniß sagen, daß mir der Ton derselben nicht gefallen hat. Ich weiß nicht, ob es daher kommt, daß es der Ton ist, worin ein alter Meister einen jungen Anfänger züchtigt, oder ob nur die deleatur! und dergleichen Machtsprüche einen widrigen Klang im Ohre eines Verfasser haben, der sich einbildet er sey auch ein Maler. […] Pfuy! deleantur dergleichen gedankenlose, hasardirte Urtheile, da man selbst nicht weiß, was man sagt! deleatur, deleatur! ich kann es an meinem Zimmermann nicht leiden, wenn er wie die veteres aviae schwatzt“.
Nein, diese Kritik hatte er nicht verlangt, da ist Wieland sich sicher: Veteres aviae, das sind altmodische, von den Großmüttern schon eingesogene Vorurteile, der (natürlich!) Satiriker Persius hatte das Bild geprägt. Nicht nur der schulmeisterliche Ton kränkt den jungen Autor (der doch schon über reichlich Stil- und Selbstbewusstein verfügt); auch die arg konservative Sprachauffassung Zimmermanns, die Ablehnung neuer Wortbildungen (vor allem solcher aus anderen Sprachen), die Verurteilung bestimmter Wörter als klopstockische, bodmerische, olympische Worte – Wieland sieht nicht, wie er mit einem derart beschränkten Wortschatz operieren soll, der der deutsche Sprache beinahe jegliche Möglichkeit eigener origineller Wortbildung versperrt, die Wörter sklavisch an bestimmte Autoren bindet, mit denen sie stehen und vergehen. Das hatte er nicht gemeint mit „Correctness and Chastisty of Stile“! Wort für Wort, Satz für Satz geht er Zimmermanns imposante Liste durch, wirft Gegeneinwürfe aufs Blatt, in der Hitze der Empörung oft genauso diktatorisch, genauso polemisch, setzt sein Autor-deleantur gegen das wiederholte deleatur des schulmeisternden Kritikers. Und als er fertig ist – passiert offensichtlich genau das, was beim anfangs zitierten Briefentwurf passierte: Er setzt sich hin, nun schon etwas kühleren Gemüts, liest das zu Papier gebrachte – und beginnt einen neuen Brief:
„Ich bin mit meinem letzten Briefe an Sie nicht recht zufrieden. Nicht daß ich den Vorwurf von Ihnen besorge, ich könne keinen Tadel ertragen. Nein! so klein kann mein Zimmermann nicht von mir denken. Ich empfinde, daß ich nicht like myself geschrieben habe, und dieses verdrießt mich. Die Wahrheit zu gestehen, mein liebster Freunde, der spottende Ton und der Muthwille, der durch Ihre ganze Critik herrschte, beleidigte mich. […] Ein Wink (wie ich Ihnen sagte, da ich eine Critik von Ihnen verlangte) ist für mich hinlänglich. Ich brauche keine Schläge mit der Peitsche.
Allmählich glätten sich die Wogen aber in den nächsten Wochen wieder. Wieland hat sich inzwischen in Bern eingerichtet, neue Aufgaben warten auf ihn, andere Projekte. Schon nach den ersten Gesprächen mit dem Agrarökonomen Fellenberg plant er nun ein neues Gedicht „über die Agricultur“; vor dem inneren Auge sieht er wohl etwas wie Vergils Georgica, in die Schweiz versetzt. Doch auch dieses Projekt kommt über das Stadium einer enthusiastisch vorgetragenen Idee nicht heraus. Letztlich belegen all diese Pläne vor allem eine Selbsteinschätzung, die Wieland selbst Zimmermann vorgetragen hat: Er ähnele zu seinem Unglück einem Chamäleon, das vor grünen Objekten grün erscheine (das Gedicht über die Landwirtschaft für Fellenberg, sozusagen) und vor gelben Objekten gelb (die philosophischen Projekte, die Zimmermann forcieren will). Eigentlich aber sei er nur – transparent.
Mitten in diesem Beziehungs- und Diskussionsgeflecht entstehen die Entwürfe zu Lukian, der Jüngere, und man kann nur beklagen, dass der Autor hier seine behauptete Kritikfähigkeit ultimativ bewiesen hat. Der Plan zum Lukian wird in Zürich geboren; am 20. März 1759 schreibt Wieland an Zimmermann:
So bald Sie verlangen so will ich Ihnen das 1. Buch von Lucian des Jüngern Wahrhafter Geschichte zusenden. Es ist ein Msscrpt. dessen Verfasser der Welt ein Geheimnis bleiben muß. Il y va presque de la tête.
Der Ankündigung folgen jedoch noch nicht sogleich Taten. Wenig später bedauert Wieland, wohl auf Anfrage von Zimmermann (in deutscher Übersetzung):
„Lucien der Jüngere verdient sehr wohl die Ehre, von Ihnen gelesen zu werden, auch ohne ein Werk nach meiner Art zu sein. Sie haben es verteufelt eilig, Monsieur. Wenn ich die Macht über die Geister hätte, die das Siegel Salomos demjenigen gibt, der sie in seiner Hand trägt, würde ich Ihnen sofort den ersten Band der wahren Geschichte schicken. Aber er ist noch nicht poliert genug, um sich vor den Augen eines Mannes wie Ihnen zu präsentieren, und das zweite Buch ist noch nicht fertig.“
Wieder kommt Wieland auf das Salomo-Motiv zurück, das er auch im oben zitierten Brief an Madame Zimmermann verwendet– der Weise, der gleichzeitig ein Narr ist. Und wieder legt er besonderen Werk darauf, sein Werk erst herauszugeben, wenn es hinreichend poliert sei. Als er dann das Gefühl (und den Mut dazu?) hat, wenigstens das erste Kapitel als Probe vorlegen zu können, begleitet er es mit folgenden Worten:
„Ich habe Spaß daran, den extravagantesten Unsinn, den mein bisschen Verstand mir bieten kann, zu Papier zu bringen. Ich bin es leid, von der Höhe der zehnten Sphäre aus mit den Bewohnern dieser Erdkugel eine Sprache zu sprechen, die sie nicht verstehen, ich steige hinab, und meine Philosophie nimmt die Maske der Narrheit an, um den Narren zu gefallen und die Weisen zum Lachen zu bringen. Ich schicke dir diese kleine Probe; es ist der am wenigsten amüsante Teil dieses Heftchens. Fragt ? mich aufrichtig nach euren Gefühlen; wenn die Lektüre dieser Broschüre euch zum Gähnen gebracht hat, werden wir sie dem Gott des Feuers opfern, und wir werden sie den Narren und Nephelocugians überlassen“.
Den „extravagantesten Unsinn“ – das sind starke Worte für einen Autor, der im Publikum noch als christlicher Dichter-Prophet bekannt ist, aber innerlich offenbar geradezu zu einem Vollblutsatiriker mutiert. Er will aber endlich vom gesamten Publikum und nicht nur von den auserwählten Anhängern einer christlichen Dichtungskunst verstanden werden; und zwar sowohl von den Weisen – die über die Absurdität des Textes lachen sollen – als auch von den Narren – zu denen man als (prätendierter) Narr von gleich zu gleich spricht. Ein heikles Unterfangen, über dessen Risiken sich Wieland durchaus im Klaren ist; von einem Autor wie ihm erwartete man keine närrischen Extravaganzen, wie sie sich ein Voltaire beispielsweise leisten konnte! Deshalb begleitet er die Übersendung mit einer Bitte um ehrliche, ja, schonungslose Kritik (das ist vor dem Zerwürfnis über Zimmermanns Cyrus-Kritik geschrieben); und bietet schließlich gar bereits die rituelle Verbrennung als Opfer an die Narren und die Nephelocugians an – den Bewohnern von Wolkenkuckucksheim nämlich in der Komödie des Aristophanes. Wieder begegnet die Spannung, die schon in Wielands Äußerungen zur Philosophie aufschien: Es ist verwerflich, wenn sich ihre Vertreter als große Männer gerieren und unverständliche Dinge aus den Höhen ihrer Großartigkeit – aus Wolkenkuckucksheim eben – als Segen auf die für närrisch gehaltene Menschheit hinabfließen lassen. Das aber ist nicht die Philosophie, die Wieland sich vorstellt; er träumt bereits von einer lachenden Philosophie, die mit der dichterischen Prosa verschwistert auftritt.
Im nächsten Brief vom 6. April verrät Wieland Zimmermann schließlich das Konzept des neuen Projekts, das er sozusagen als eine Entspannungsübung parallel zur pathetischen, hohen Heldenepik des Cyrus verfolgt:
„Ich möchte Ihre Gedanken über meinen Lucian wissen. Wenn mein Plan ausgeführt werden soll, werde ich III Bände geben, die jeweils aus mehreren Büchern und Kapiteln bestehen. Der erste Band wäre der extravaganteste. Das zweite Buch von Band 1, das auf das folgt, was ich Ihnen geschickt habe, enthält die Beschreibung von zwei Republiken; die dritte diejenige eines Staates intelligenter Bienen, die vierte ist einer Nation, die Pagoden genannt wird, deren Regierung, Moral und Religion alles das sind, was am meisten verabscheuungswert ist. Die fünfte wird eine sehr ungewöhnliche Reise in den Bauch eines Wals beinhalten, mit den wunderbaren und interessanten Abenteuern, die den Autor in dieser seltsamen Region erreichen. Hier ist jedoch das erste Kapitel des zweiten Buches.“
Drei Bände also sollen es werden, jedes bestehend aus mehreren Büchern. Der erste Band wird insgesamt als der „extravaganteste“ angekündigt, das entspricht der Beschreibung im vorigen Brief: eine Ansammlung von möglichst absurdem (und man kann sicherlich ergänzen: philosophischem) Unsinn in weiterem Sinne. Das zweite Buch des ersten Bandes soll sich mit dem philosophischen Thema der besten Staatsform beschäftigen (sehr wahrscheinlich: vor dem Hintergrund des Vergleichs von Zürich und Bern bzw. Sparta und Athen, wie er ihn auch für die Zeitschrift plante); von ihm übersendet Wieland offensichtlich nun eine Probe an Zimmermann. Darauf soll ein Kapitel über einen Staat intelligenter Bienen folgen – ein Thema, das ebenfalls lukianische Wurzeln hat (den Dialog Ikaromenippus) sowie auf die berühmte Bienenfabel von Bernard de Mandeville anspielt. Bei der Pagoden-Nation im vierten Buch hat man sich wohl eine Satire auf fernöstliche Regierungsformen und Sitten vorzustellen; „Pagode“ gebraucht Wieland, wie viele seiner Zeitgenossen, häufig als Allgemeinbegriff für östliche Religionsführer, und auch hier geht es wieder darum, den „extravagantesten“ Unsinn zusammenzustellen (für den die zeitgenössische Reiseliteratur die vielfältigsten Beispiele bot). Die Reise in den Bauch des Wals ist ein traditionelles satirisches Thema; es erinnert ebenso an Lukian (die Wahre Geschichte) wie auch an die biblische Reise von Jonas im Bauch des Wals wie schließlich an Jonathan Swifts satirisches Glanzstück A tale of the tub. Swifts Märchen inspiriert vielleicht auch die bunte Mischung verschiedener satirischer Einzelthemen, Genres und Motive. Das alles wird zusammengefasst unter der Figur Lukians des Jüngeren; eine Art fiktiver Nachfolger des antiken Lukians also, in dessen Tradition sich Wieland ganz direkt im Titel stellt. Das ist nicht zuletzt deshalb überraschend, weil Wieland angeblich nach einer früheren Lukian-Lektüre, und zwar: speziell der philosophiekritischen Teile des Oeuvres, nach einem Bericht aus dem Tagebuch von Rings noch 1755 gesagt haben soll, „wann er s. Verkauf der Philos. lese, so müsse er ihn wegschmeißen“ (Der Verkauf der philosophischen Sekten ist ein besonders krasses Beispiel der bei Lukian allgegenwärtigen Kritik der Philosophen). Offensichtlich ist hier ein Wandel eingetreten, aber eben noch nicht ganz vollzogen – wie die neuerlichen Verbrennungsangebote und Einladungen zur Kritik demonstrieren.
Am 16. April, und damit unmittelbar bevor seinem Besuch in Brugg bei Zimmermann und Gattin, überschickt Wieland noch einmal einen Teil des zweiten Buches von Lukian; es handele sich aber, so erläutert der Begleitbrief, eher um den „Embryo des zweiten Buches“, der „ein kleiner Bär ist, der noch nicht genug geleckt ist, wie der große Vergil so höflich sagt“. Zu seinem Besuch in Brugg hat er die Entwürfe ebenfalls mitgenommen. Aber nach der Rückkehr überschattet das Zerwürfnis über Zimmermanns Kritik des Cyrus dann das Verhältnis für kurze Zeit. Die Reaktionen von Madame Zimmermann über den Cyrus hingegen müssen schon mehr nach Wielands Geschmack gewesen sein; er bedankt sich: „Wie Süß ist es von Ihnen gelobt zu werden! Wie erquickend, wie belebend ist Ihr Beyfall! – Aber Zweiffeln Sie nicht, meine Freundin, daß Ihr Tadel mir angenehmer ist, als das Lob der meisten“ (17.5.). Über das Lob ist er jedoch so stolz, dass er den Brief überall in Bern herumzeigt.
Wenig später schreibt er an die gleiche Adressatin, offenbar auf einen weiteren Brief hin:
„Die letzte Seite in demselben macht Sie mir unendlich liebenswürdiger und werther als die Lobsprüche die Sie in den beyden andern mir von dem Cyrus geben. Wollen Sie versuchen wie weit meine Eitelkeit gehe? Oder haben Sie geglaubt Sie müssen die sanfte Bestrafung, welche mir von Ihrer Hand so wohl thut, durch übertriebne Lobsprüche erträglich machen? [...] Sie haben über die Hitze die Sie in meinem Briefe befunden haben nicht unruhig werden sollen. [...] Ich bin weder So groß noch so klein, weder so gut noch so böse, als Man sich zuweilen vorstellt.
Meine Briefe mögen tönen wie sie wollen, So bleibt das Innere meines Hertzens immer gleich. Es scheint aber nicht daß mir das Glük zugedacht sey, von jemand gekannt zu seyn. Die kleinste Wolke macht mich zum Ungeheuer in den Augen meiner besten Freunde. So ist mein Unstern. Ich muß mich unterwerfen.
Wenn Ihnen dieses Blatt mißfällt, so Sehen sie es als ungeschrieben an.“ (vgl. Brief vom 4.7. an Zimmermann, Antwort an Mad. halb fertig)
Es spricht viel dafür, dass dieser Brief die endgültige Fassung des im Zimmermann-Archivs überlieferten Entwurfs ist. Klar ist, dass es nicht mehr um den Cyrus geht, den Madame Zimmermann ja überschwänglich gelobt hatte; nun geht es um ein Werk, das sie sanft getadelt hatte. Und mit den gleichen Argumenten und teilweise auch den gleichen Worten wie im Briefentwurf im Zimmermann-Nachlass versucht Wieland seine Reaktion auf diesen Tadel herabzuspielen. Zwar habe er einmal mehr in der ersten Hitze der Erregung einen Brief geschrieben, den sie ihm nicht übelnehmen sollte; im Briefentwurf heißt es einleitend, er fühle sich selbst inzwischen lächerlich bei der Wiederlektüre, dass er sich so aufgeregt habe. Danach folgt die Einordnung seiner selbst zwischen den Extremen: nicht allzu klein, nicht allzu groß – wichtiger jedoch, so wieder in paralleler Formulierung zum Briefentwurf, sei die menschliche Beziehung, die sich allein auf das Wesen, den Persönlichkeitskern, das „Innere meines Hertzens“ stütze. Die Verkennung dieses Wesens aufgrund seiner impulsiven Briefe sei sein Schicksal – man könnte beifügen: das Schicksal des Chamäleons, das äußerlich seine Farben ändert und damit seine Freunde erschreckt, innerlich jedoch treu und standhaft ist. „So ist mein Unstern“, schließt dieser Brief; über den Lukian, warum auch immer, kein Wort mehr; aber dafür wieder das Angebot, den Brief selbst sozusagen innerlich für ungeschehen zu erklären.
Als Wieland Anfang Mai nach Bern übersiedelt, hat er den Lukian bzw. seine embryonischen Entwürfe dazu wohl noch nicht den Flammen geopfert, der sanften Kritik von Madame Zimmermann zum Trotz. Dafür spricht der anfangs schon zitierte Brief Iselins, in dem dieser von der Verlesung eines geheimgehaltenen Werkes spricht, das er in den allerhöchsten Tönen preist und das nicht der Cyrus ist, sondern ein Prosawerk höchst vergnüglicher Art. Auch andere Testhörer waren amüsiert; zunächst jedenfalls. Julie Bondeli, die Wieland gleich zu Beginn seiner Zeit in Bern kennen und nach anfänglicher Ablehnung dann auch sehr schätzen gelernt hatte, berichtete in einem Brief vom 5. April 1764 – also gut fünf Jahre nach der hier geschilderten Phase:
„Ich wage nicht zu Wieland von seinem Lucian zu sprechen, ich habe den Verdacht oder vielmehr die unbestimmte Idee, dass er ihn verbrannt hat und ich die unschuldige Veranlassung dazu bin, und ich möchte ihm keinen Kummer machen. Es ist dies auch ein Zug seines alten Fanatismus; ich kann nicht umhin, es Ihnen zu erzählen. Im Anfange unserer Bekanntschaft war ich in Altenberg; er kam fast jeden Tag dorthin; durch Schlauheit von seiner oder aus Dummheit von meiner Seite hegte ich lange Zeit keinen Argwohn, ihm eine belle passion eingeflösst zu haben. Eines Tages kam er zum Diner; da sonst keine andere Gesellschaft da war, hatte er volle Musse, uns den Lucian vorzulesen. Ich wie die Anderen wir lachten darüber und spendeten ihm auch Lob: darauf richtete sich die Unterhaltung zwischen und Beiden auf die Satyre im Allgemeinen, und zum Unglück und ohne irgend eine Absicht fing ich an, ein wenig zu ernst und streng über deren Prinzipien und Wirkungen zu philosophiren. Einige Tage nachher bat sich das selige Fräulein St. das Manuscript von ihm aus, da sagte er: Fräulein Bondeli hat es verurtheilt, ich habe es nicht mehr.“
Falls sich Julie Bondeli also nicht irrt – was bei der Zeitdifferenz durchaus möglich ist –, hatte Wieland das Manuskript zu Beginn ihrer Bekanntschaft noch und las bei Besuchen ausgewählten Personen daraus vor. Die Gesellschaft zeigte sich zunächst amüsiert, dann aber kam das Gespräch auf die Satire, und Julie Bondeli äußerte wohl etwas strengere Meinungen über das Genre – man kann nur vermuten, dass es die gleichen waren, die seit jeher vorgebracht wurden: Sie mache sich über alles lustig, auch über das Erhabene oder Verdienstvolle, das sie mit ihren niederen Scherzen in den Dreck ziehe; der Satiriker könne gar kein moralisch wertvoller Mensch sein, weil er immer nur das Allerschlechteste über seine Mitmenschen denke; und das Lachen über andere sei sowieso nicht direkt ein Glanzlicht der menschlichen Psyche. „Unwürdig“, das hatte Wieland selbst damals zu Voltaires Candide gesagt, einer der härtesten vorstellbaren Satiren schlechthin; und Lukians Philosophenkritik und dessen „boshafte Einfälle“ hatte er wegschmeißen wollen. Nein, Wieland sollte niemals ein harter, erbarmungsloser, mit der Peitsche züchtigender Satiriker à la Juvenal werden; die sanfte, humorvolle horazische Satire, die immer sich selbst mit bestrafte, die eigenen Schwächen nicht aussparte, die durch Lachen zu ein wenig mehr Demut und ein wenig weniger Selbstüberschätzung erziehen sollte – das würde sein eigener satirischer Weg werden. Der Lukian jedoch war offensichtlich von härterem Stoff gemacht; und man kann vermuten, dass ein Teil seines Lacherfolgs beim Publikum durchaus auch in erkennbaren Anspielungen auf Schweizer Zustände und Personen lag. Bondelis strenge Worte über die Satire hatten aber einen schon schwärenden wunden Punkt in der Autorenpsyche getroffen; und Wieland schritt zur ultimativen Anwendung der Feile, nämlich: der Vernichtung des Werks, und der „kleine Bär“ brannte, bevor er ein großer Bär werden konnte. Wieland selbst hat im Übrigen Julies Darstellung bestätigt; einige Tage später nämlich schrieb er an Zimmermann, der augenscheinlich sowohl bei Bondeli als auch bei Wieland nach dem Schicksal des Werks gefragt hatte: „Lucian der jüngere ist auf Anrathen eines Bernischen Freundes schon vor vier Jahren verbrannt worden. Der Himmel weiß wo die Atomen davon hingekommen sind.“
Vielleicht aber sind ja doch ein paar Atome erhalten geblieben, einige Minibären-Spuren? Einiges „Extravagantes“ könnte sich beispielsweise in Wielands einzigen durchgängig satirischen Roman, die Geschichte der Abderiten, eingeschlichen haben, die vielfach Lukianische Motive aufnimmt. Anderes könnte eingewandert sein in seine geschichtsphilosophischen Überlegungen aus seiner Professorenzeit in Erfurt, vor allem in die Beyträge zur geheimen Geschichte des menschlichen Herzens und Verstandes, eine andere „wahre Geschichte“. Betrachtungen über ideale und weniger ideale Regierungsformen prägen sein Werk vom Agathon bis hin zu Aristipp und einige seiner Zeitgenossen. Vor allem jedoch die Geschichte der Pagoden mit ihrer absurden Regierungsform könnte ein wichtiger Impuls für den Goldnen Spiegel gewesen sein. Und ganz am Ende seines Lebens übersetzte Wieland auch endlich Lukian; ein Plan, der schon in der Schweizer Zeit entstanden ist, dann aber zurückgestellt wurde, weil gerade Johann Heinrich Wasers konkurrierende Lukian-Übersetzung erschienen war. In gewissem Sinne ist damit sein eigenes Leben zu Teilen doch Lucian des Jüngeren Wahrhafte Geschichte geworden; unter diesem vollständigen Titel hatte Wieland ja die ersten Entwürfe Zimmermann angekündigt.
Und natürlich hatte auch schon Lukian selbst eine Wahrhafte Geschichte verfasst. Sie enthielt – nun, den gröbsten extravagantesten Unsinn, den der antike Autor aus zeitgenössischen Überlieferungen von Philosophen und Geschichtsschreibern entnehmen konnte und den er derart virtuos überspitzte, dass der Text heutzutage als einer der ersten Beispiele von science fiction gelesen wird. Soweit jedoch wollte und konnte Wieland noch nicht gehen, als er 1759 in der Schweiz an Madame Zimmermann schrieb, das große Genie sei auch „nicht die Fingerspitze“ der verehrten Dame wert und der glückliche Mann letztlich dem großen ebenbürtig – und sei es auch um den Preis der Verbrennung einer offensichtlich wohlgelungen und gerade deshalb „unwürdigen“ und albernen Satire. Der satirischen Stachel hatte seine Mutation vom düsteren Schwärmer zum fröhlichen Philosophen der Grazien angetrieben; und nachdem er seine brennende Schärfe verloren hatte, zog Wieland ihn heraus und begann mit der Niederschrift der philosophisch-launigen Prosawerke, die ihn berühmt machen sollten.
"Solcher Leser, für welche nicht nur im Detail nichts verloren geht, sondern die auch Sinn für die Komposizion, Ausführung und Haltung des Ganzen haben, d. i. gerade für das, worauf Alles ankommt, solcher Leser wünsche ich mir recht viele." Diesen etwas besorgt klingenden Wunsch äußerte Wieland in einem Brief an seinen Freund und Verleger Göschen, der das zunehmende Anwachsen von Wielands Altersroman Aristipp und einige seiner Zeitgenossen (180-1802) mit einiger Sorge betrachtete. Viele solcher Leser wird der umfangreiche Schmöker allerdings wohl kaum gefunden haben, weder zur Zeit seiner Erstveröffentlichung noch jemals danach. Obwohl inzwischen nicht mehr die Rede davon sein kann, daß Wielands Spätwerk – und speziell der Aristipp – von der literaturwissenschaftlichen Forschung schnöde vernachlässigt wird, und obwohl seit 1988 eine umfangreich kommentierte Neuausgabe in der Bibliothek deutscher Klassiker vorliegt, taugt der Roman einfach nicht zum leicht verdaulichen Lesefutter. Zum einen ist er nicht nur quantitativ schwergewichtig, sondern auch voller Zutaten mit beschränktem Haltbarkeitsdatum in unserer schnellebigen Welt: reichhaltigen Anspielungen nämlich auf antike Texte und Kontexte, Figuren und Räume, Bildungswissen zuhauf. Daneben wurde ihm – vor allem von Wielands Zeitgenossen – seine Unmoral vorgeworfen: Sind die Hauptfiguren doch eine prominente Hetäre (die antike Lais) und ein berüchtigter Hedonist (der Sokrates-Schüler Aristipp); andererseits sind deren moralische Verwerflichkeit und ihr erotisches Verhältnis kaum weit genug getrieben, um nun heutzutage wieder Leser anzulocken. Am schwersten im Magen lag den Lesern jedoch seit eh und je das vierte Buch des Romans, das zur Gänze über mehrere hundert Seiten die platonische Politeia (ebenfalls kein Leichtgewicht) referiert, erläutert und bewertet. Und äußerlich kommt das Ganze auch noch als mehrstimmiger Briefroman daher – es gibt keine zentrale Identifikationsfigur, wenig spannende Handlung, romantische Liebesgeschichten nur in Bruchstücken; statt dessen Reden über Reden über Reden, sei es im persönlichen Briefwechsel, im privaten Symposion, im philosophischen Dialog.
Der Autor selbst hingegen, persönliche Befangenheit hin oder her, war durchaus anderer Meinung als der um seinen Umsatz besorgte Verleger. Aristipp war, wie mehrfach bezeugt, sein "Liebling", sowohl die Figur als auch das Werk. Sein erster Plan zu einem Aristipp-Roman datiert schon aus dem Jahr 1774; Wieland erwog damals, der Anregung seines Lieblingsautors Horaz zu folgen, sich doch einmal ausführlich mit der Geschichte der Sokratischen Schule zu beschäftigen. Niedergeschrieben werden die vier Bände aber erst in den Jahren von 1798 bis 1801 in seinem geliebten "Osmantinum", dem ebenfalls nach dem Modell von Horaz und dessen "Sabinum" gebildeten Landgut in Oßmannstedt. Dessen Atmosphäre prägt nach Meinung vieler Interpreten den Roman; Wielands damaliger Sekretär Lütkemüller beschreibt das sehr anschaulich:
"Nie sah ich Wieland lebhafter, als da er die Briefe Aristipps und seiner Zeitgenossen zu schreiben anfing. Seine Seele war ganz voll von dem, was dieses Werk aufnehmen, schildern und beleuchten sollte, als ich eines Tages in sein Museum zu Oßmannstedt trat. Es war endlich einmal Zeit – , sprach er, – daß ich ein solches Werk begann. Eigentlich habe ich die Personen und Sachen, die darin vorkommen, schon von meiner Jugend an in der Seele getragen, und zum Theil auch, mehr oder minder historisch, zum Besten gegeben. Aber was ich früherhin auch that, und späterhin bald so, bald anders zu thun gedachte, ich wollte einmal auch die Geschichte der Sokratischen Philosophie schreiben, – nun erst ist es für mich die rechte Zeit, das klassische Griechenthum in einer seiner anziehendsten und inhaltreichsten Perioden zu überschauen und zu behandeln."
Gerade das vierte Buch über die platonische Politeia hielt Wieland im übrigen für "das wichtigste und beste morceau meines ganzen Werkes." Aber auch diesbezüglich gibt er dann doch in einem Brief an den ein wenig skeptischen Verleger zu:
"Ich weiß es nur zu wohl, daß die weitläufige Beurtheilung der Republik Platons, welche den größten Theil des 4ten Bands ausfüllt, für die große Majorität der Leser kein Interesse hat."
Eben deshalb schreibt Wieland primär, wie er im gleichen Brief betont, nicht für die "große Majorität", sondern für den "gebildeten Leser". Dieser ist die exakte Spiegelfigur eines Autors, der im Aristipp eine Art persönliche summa vorlegt, eine Lebens-, Wissens- und Erfahrungsbilanz, die auf reichhaltiger persönlicher Erfahrung und dem akkumulierten Wissen und Können eines langen Schriftsteller–, Philosophen- und Philologenlebens beruht. Gegenüber Göschen verteidigt Wieland auch diese Einschätzung des Aristipp als Höhepunkt und Abschluss seiner persönlichen Entwicklung:
"Ich halte mich gewiß, auch Sie würden finden, daß ich allen meinen Werken die Krone dadurch aufsetze, und daß 50 Jahre meines vergangenen Lebens dazu nöthig waren, um mich fähig zumachen, dieses zu schreiben."
Vergleichbares fordert er nun von seinem idealen Leser – "aber unglücklicher Weise gibt es deren unter 100 kaum Einen – weil in der That beinahe eben so viel Genie, Kopf, Bildung und Kunstsinn dazu erfodert wird, ein solcher Leser zu seyn, als ein Autor, der im Stand ist, solche Leser zu befriedigen." Der Leser soll sich also auf die gleiche kulturelle Höhe erheben wie der Autor. Er muß dazu nicht nur entsprechende intellektuelle Fähigkeiten und ein geschultes Geschmacksurteil mitbringen, sondern gar "Genie" – was zwar nicht im Sinne des schlechthin nicht willkürlich verfügbaren Originalgenies zu verstehen ist, sondern eher im älteren Wortsinn von Witz, intuitiver Kombinationsgabe, angeborenem Einfühlungsvermögen und trainierter Urteilskraft. Offensichtlich ist der Aristipp trotz oder gerade wegen der Schwierigkeiten, die er der Rezeption entgegensetzt, auf eben diesen Leser ausgerichtet. Er bietet das facettenreiche Bild eines langfristigen individuellen Kultivierungsprozesses und wendet sich an alle rezeptiven Fähigkeiten eines wohlgeschulten Lesers.
Dies alles sage ich natürlich nicht, um Sie nun endgültig von der Lektüre dieses schwergewichtigen Romans abzuschrecken; ich sage es, um Sie zu motivieren, sich den nicht zu übersehenden Schwierigkeiten der Lektüre zu stellen und das Vorhaben nicht zu verharmlosen. Der Aristipp ist keine leichte Nachttisch-Lektüre für den einmaligen Genuß, sondern ein Bildungsunternehmen für den ambitionierten Leser – also Arbeit; aber umso lohnender ist dann auch das Erfolgserlebnis!
Ich will im folgenden jedoch, um Sie nicht ganz allein zu lassen, verschiedene Zugänge zum Roman skizzieren, die auch in der Forschung schon vielfach behandelt wurden; es gibt nämlich, und das ist durchaus im Sinne Wielands, sehr viele Arten, diesen Roman zu lesen. Ich werde dabei, soviel Egoismus muss sein, mit meiner eigenen Interpretation beginnen, die da lautet: Der Roman ist ein Kulturroman; er behandelt das Oberthema Kultur in all seinen Facetten – in kulturgeschichtlicher, kultursoziologischer, kulturanthropologischer und kulturphilosophischer Hinsicht –, aber zugleich auf ungleich anschaulichere und auch lebensnahere Art als die diversen Kulturtheorien, die zu Wielands Zeit wie auch heute, wo Kultur wieder zu einem Mode- und Universalwort der Welterklärung geworden ist, im Umlauf waren. Ich will dazu einleitend etwas ausführlicher – was sich nun gerade in diesem Jahr 2008 der Weltgeschichte anbietet – auf die Olympia-Episode zu Beginn des Romans eingehen.
Gleich am Beginn seiner persönlichen Bildungsreise durch die griechischen Stadtstaaten erklärt der junge Aristipp den Besuch der Olympiade zunächst zum zeitgenössischen Top Act: "und aus der Welt zugehen, ohne die Olympischen Spiele und den Jupiter des Fidias gesehen zu haben, wahrlich, da verlohnte sichs kaum der Mühe da gewesen zu sein!" In dieser Erwartung wohnt er nun einem olympischen Faustkampf bei, der ihn zunächst mit "einer seltsamen Art von schauderlichem tragischen Vergnügen"erfüllt. Das Vergnügen hat jedoch bald ein Ende, als er,"nach einem kaum viertelstündigen Kampf, einen der Athleten,der kurz zuvor die Schönheit eines Paris oder Nireus mit der Stärke eines Milanion vereinigt darstellte, und einer Bildsäule des Apollo selbst zum Modell hätte dienen können, für tot aus den Schranken hinaus tragen sah, so übel zugerichtet, daß keine Spur seiner vorigen Bildung in seinem zertrümmerten Gesicht und an seinem ganzen, zu einem unförmlichen Klumpen zusammengeschlagenen Leibe zu erkennen war."
Wohlgemerkt, das ist der allgemein als zimperlich und schöngeistig geltende Wieland, der diese sehr deutlichen Zeilen zu Beginn des 19. Jahrhunderts schreibt, das bekanntermaßen einem sehr idealisierten Griechenlandbild ("edle Einfalt und stille Größe", so das bekannte Winckelmann-Diktum) huldigt. Die Episode aus dem Anfang des ersten Buches dient dabei in mehrfacher Hinsicht als Exposition, also als Lesereinführung: Sie präsentiert die Hauptfigur, Aristipp, als neugierigen, populären Sensationen durchaus nicht abgeneigten, jedoch gleichzeitig sich kritisch seines eigenen Verstandes bedienenden jungen Mann; sie zeigt das vermeintliche Kulturvolk der Griechen von seiner dunklen Seite; und nicht zuletzt demonstriert sie wichtige poetische Verfahrensweisen und Themen, die auch die weiteren ästhetischen Debatten des Romans prägen. So wird der Athlet in all seiner jugendlichen Schönheit nicht beschrieben, sondern mit mythologischen Vorbildern verglichen; dabei werden diese auf bezeichnende Weise gemischt; und schließlich wird der Athlet wegen seiner besonderen Schönheit als virtuelles Modell für ein Kunstwerk qualifiziert. Es geht also auch um das Verhältnis der Menschen zu den Göttern, um dasjenige von Realität und Idealität, und um einen möglichen Kanon der Schönheit – und damit Themen, die auch die Gestaltung des Romans selbst bestimmen.
Außerdem kann der geschilderte Vorfall auch auf das zentrale kulturtheoretische Thema des Romans schlechthin bezogen werden: die Verbesserungsfähigkeit des Menschen nämlich, sowohl als Individuum als auch als Gattungswesen verstanden, und sein Verhältnis zur Gesellschaft (dass ist ein Kernthema der Aufklärung und eines, das sich offensichtlich bis heute nicht erledigt hat). In einem auf den Faustkampf folgenden Gespräch des angewiderten Aristipp mit dem Athener Sokrates-Schüler Antisthenes und einem Anhänger der eleatischen Schule des Parmenides weitet sich die zunächst instinktive Ablehnung Aristipps zu einer veritablen kulturkritischen Diskussion aus. Dabei leugnet der Philosoph Antisthenes zunächst einen möglichen praktischen Nutzen der sportlichen Übungen: Angesichts der Fortschritte in der militärischen Technik und der Kriegsführung seien leichtbekleidete und verwundbare Läufer nun wahrlich das letzte, was die Nation bräuchte – ein durchaus ernstzunehmender, pragmatischer und realistischer Einwand. Darüber hinaus sei jedoch die Veranstaltung im allgemeinen nicht mehr zeitgemäß und eher rufschädigend für eine moderne Kulturnation:
"Mit welcher Stirne können wir auf unsre wirklichen und vermeinten Vorzüge so stolzen Griechen alle übrigen Erdebewohner Barbaren nennen, so lange es eine unsrer größten Glückseligkeiten ist, alle vier Jahre zusammen zu kommen, um uns, zu gemeinschaftlicher Belustigung, in die Zeiten zurückzusetzen, da unsre eigenen Vorfahren wenig besser als rohe Waldmenschen, Räuber und Abenteurer waren, und an Humanität und Sittigkeit weit hinter den meisten Asiatischen Völkern zurückstanden? Wie übel ziemt es uns, die an eine edlere Denkart und Geschmack am Schönen und Erhabenen Anspruch machen, auf die Kunst einander die Glieder zu verrenken [...] einen so hohen Wert zu setzen [...]?
Antisthenes verweist damit zum einen auf einen bekannten Topos der kulturtheoretischen Debatte: die Abgrenzung der Kultivierten von den Barbaren, wie sie die Griechen vornahmen und damit ein Leitbild der Kulturtheorie bis in unsere Zeit prägten. Der Roman übt nicht nur hier an dieser Unterscheidung Kritik; späterhin ist gar ausdrücklich die Rede vom barbarischen Völkerrecht der Griechen, die frei geborene Menschen nicht nur sprachlich ausgrenzen, sondern sogar zu Sklaven machen. Zum anderen wird hier erstmals ein positives Kulturverständnis skizziert: eine Welt- und Lebenshaltung, die dem Entwicklungsstadium einer Nation angepasst ist und ihren Fortschritt an "Humanität und Sittigkeit" im Vergleich zu anderen Völkern widerspiegelt. Dieser Humanitätsbegriff wird verbunden mit geistigen Vorzügen wie einer "edleren Denkart" – also wohl einem moralischen Fortschritt – und dem "Geschmack am Schönen und Erhabenen" – einer ästhetischen Kategorie; ein erster Hinweis auf das von der sokratischen Philosophie geprägte Ideal der kalokagathie, das In-eins-Gedachte Gute und Schöne, das später noch mehrfach thematisiert werden wird.
Es ist bezeichnend für den Roman, daß diese erste – offensichtlich eher idealistische – Kulturkonzeption nicht unwidersprochen stehen bleibt. Vielmehr verteidigt der zweite Gesprächspartner, der Eleat, die Kampfspiele mit zwei pragmatischen und modern klingenden Argumenten. Zum einen stellt er sie als eine Art von Wirtschaftsförderung dar – die ganze Region verdanke dem Spektakel ihren Wohlstand. Das weist hin auf den Vergleich verschiedener griechischer Stadtstaaten in ihrer wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Konstitution, der im Roman immer wieder betrieben wird.Ökonomischer Wohlstand wird dabei als unentbehrliche empirische Voraussetzung für kulturelle Blüte verstanden. Zum zweiten, so der Eleat weiter, handele es sich bei den Olympischen Spielen um eine wichtige soziale Institution für die ganze griechische Nation:
"Wir vergessen in diesen halcyonischen Tagen aller Beleidigungen, aller Eifersucht und Rache, um uns bloß unsers gemeinsamen Ursprungs zu erinnern, und die Bande von neuem zusammen zu ziehen, womit gemeinschaftliche Götter und Tempel, eine gemeinschaftliche Sprache und das große Interesse unsre Unabhängigkeit gegen auswärtige Mächte zu behaupten, die in so viele Stämme und Zweige verbreitete Nachkommenschaft Deukalions zu einem einzigen Volke verbunden haben, das durch seine Kultur das erste in der Welt ist, und durch Eintracht unüberwindlich und unvergänglich dem ganzen Erdboden Gesetze geben würde."
Explizit werden hier Rahmenbedingungen genannt, die für den kulturellen Fortschritt unerlässlich sind. Kultur ist nicht das Werk eines einzelnen, sondern einer Gemeinschaft; diese definiert sich sowohl durch gemeinsame praktische Interessen nach außen – wie die Selbstbehauptung gegen andere – als auch durch gemeinsame Werte und Symbolsysteme (wie die Sprache und die Religion) nach innen. Die gemeinsamen Ursprünge werden symbolisch im kulturellen Gedächtnis gespeichert und regelmäßig in Festen und Ritualen erneuert. Neben die philosophisch-idealistische Kulturauffassung tritt eine sozial-pragmatische; während Antisthenes sozusagen als konservativer Kulturphilosoph spricht, antwortet ihm mit dem Eleaten ein progressiver Kultursoziologe.
Damit stehen gleich zu Beginn des Romans zwei unterschiedliche Kulturkonzeptionen gegeneinander, die – und auch das ist bezeichnend für das Werk als Ganzes – nicht inhaltlich vermittelt werden sollen. Jeder darf auf seinem Standpunkt bleiben, solange die äußere Form gewahrt wird: "Wir kamen indessen, da der Eleer ein sehr höflicher Mann war, noch ganz friedlich aus einander; denn die Höflichkeit hat dies eigene, daß sie es dem Andern unvermerkt unmöglich macht, so grob zu sein als er wohl Lust hätte". Der konventionellen Höflichkeit des Eleaten entspricht die elegantere Form der Urbanität des Athener Philosophen – verschiedene Formen der "Polizierung", der Veredlung und Verfeinerung der Sitten, die Wieland in seinem Werk differenziert ein- und umsetzt.
Soweit zur Olympiade (und Sie sehen, die Bezüge zur Gegenwart sind auch hier durchaus gegeben, ohne dass ich sie im einzelnen aufzählen müßte). Ich habe diese kleine Episode so ausführlich behandelt, weil sich an ihr gut zeigen lässt, wie dicht Wieland seine zentralen Themen und Motive verwebt, wie selbst in Details eine Bedeutungstiefe steckt,die sich nur im Blick auf den Gesamtroman erschließt, wie schließlich Inhalt und Darstellungsform aufs Engste miteinander verbunden sind. Aristipps einleitender Bericht aus Olympia bietet damit auch für den Leser eine geradezu vorbildliche Exposition in zentrale Themen und formale Konzepte des Romans. Er führt sowohl anhand praktischer Beispiele als auch theoretischer Reflexionen in die kulturtheoretische Problematik ein; er reißt weitere Kernbereiche des Werks an, wie die Diskussionen um die Schönheit oder den politischen Kontext kulturellen Erlebens; und er gibt ein Beispiel für die Formen der Auseinandersetzung, die der Roman propagiert.
Weitere Lektürezugänge werde ich im Folgenden nur kursorisch behandeln können. Am naheliegendsten ist es natürlich – besonders für den nicht-fachlichen Leser, aber für den schreibt Wieland schließlich, nicht für die Wissenschaft – die Lektüre als Liebesroman; nicht wenige Leser werden sich schon in die schöne Lais verliebt haben, auch wenn Schiller etwas missgünstig schreibt: "Wenn man es nur nicht als eine aesthetische Composition betrachtet, so hat es recht viel gutes, freilich mag man seine Ideale nicht,und weder seine Lais noch sein Aristipp haben mich erobert." Hingegen verteidigte Wieland von Anfang an seine Entscheidung, ausgerechnet eine berüchtigte Hetäre zu einer Hauptfigur seines Altersromans zu machen: Es handele sich um eine der "merkwürdigsten Personen" der dargestellten Zeit – "Und was machte sie [dazu?]? Nicht sowohl Schönheit und Liebreiz! Wie groß diese auch sein mochten, sondern vielmehr eine Bildung und Liebenswürdigkeit, die noch außerordentlicher waren als jene. In ihr blühte für die gebildetsten Griechen jener Zeit das Höchste und Vollkommenste schöner und holder Weiblichkeit". Gleichzeitig verteidigte er jedoch – und auch das gehört zur Vielstimmigkeit des Romans – die bürgerliche Ehe, die er selbst ja 36 Jahre lang geführt und als außerordentlich positiv empfunden hatte:"Übrigens wird sich in der Griechenwelt, welche vor mir liegt, auch Gelegenheit finden, dem Ehestande, wie ich seines Ortes immer gethan habe, alle gebührende Hochachtung zu erweisen, und häusliches Familienwohl, so wie es seyn kann und seyn soll, als das reinste und vollste Glück dieses Lebens darzustellen."
Deshalb erzählt der Roman nicht nur die Liebesgeschichte – oder ist es doch "nur" eine Freundschaft und Seelenverwandtschaft? – der schönen Lais und des weisen Aristipp, sondern auch die Ehegeschichte von Aristipp und Kleone; er zeigt daneben aber auch noch einige andere Lebens- und Beziehungsformen, z.B. die freie Liebe zwischen der Ex-Hetäre Timandra und dem Sophisten Hippias. Daneben enthält er eine der frühesten Darstellungen weiblicher Emanzipationsbemühungen in der deutschen Literatur. Die schöne Lais trägt ihre persönliche Analyse des Verhältnisses der Geschlechter mit drastischer Deutlichkeit vor: Frauen und Männer befänden sich in einem permanenten Kriegszustand, die Frauen könnten deshalb gar nicht anders, als die Männer "überhaupt als eine feindliche Macht" zu betrachten und sich dementsprechend wehrhaft zu verhalten. Lais gründet diese düstere Einschätzung der Geschlechterbeziehungen vor allem auf eine lange, leidvolle und immer noch allgegenwärtige historische Erfahrung: Es sei eine "unleugbare Tatsache", "daß der weibliche Teil der Menschheit sich beinahe auf dem ganzen Erdboden in einem Zustande von Abwürdigung und Unterdrückung befindet, der sich auf nichts in der Welt als Überlegenheit der Männer an körperlicher Stärke gründen kann; da die Vorzüge des Geistes, in deren ausschließlichen Besitz sie sich zu setzen suchen, nicht ein natürliches Vorrecht ihres Geschlechts, sondern eine der Usurpazionen sind, deren sie sich kraft ihrer stärkeren Knochen über uns angemaßt haben." Männer sind also von Natur aus nicht klüger, sondern nur stärker; und diesen Startvorteil hat das weibliche Geschlecht im Verlauf der Kulturgeschichte bisher nicht aufholen können. Zwar sei, so Lais, bei "polizierten Nationen" die körperliche Gewalt derart in Verruf geraten, daß die Männer nun zu den subtileren Waffen von Schmeichelei und Liebkosungen greifen müßten. Die Frauen würden jedoch weiterhin, nun eben von kultivierten Barbaren, zu "Sklavinnen ihrer Bedürfnisse oder als Werkzeuge ihres Vergnügens" domestiziert. Deshalb fühlt sich Lais geradezu verpflichtet, den Spieß herumzudrehen und umgekehrt – aufgrund der besonderen Macht, die ihr die Natur durch ihre Schönheit verliehen hat – die alten Gegner zu versklaven, um ihre eigene Freiheit zu erhalten.
Für Lais ist der Kampf der Geschlechter also nicht etwa düstere Vorzeit, sondern wie für den größten Teil aller Frauen bittere Gegenwart. Die konventionellen Möglichkeiten des Friedensschlusses, die sich ihnen bieten, schließt Lais für sich selbst aus: Bevor sie eine "ehrbare Matrone" wird, versucht sie lieber, eine "so seltne Hetäre wie Aspasia oder Thargelia zu sein". Diese etwas hochnäsig klingende Verachtung des Ehestandes führt Lais nun aber nicht nur ausschließlich auf die Böswilligkeit der Männer zurück, sondern auch auf die Macht gesellschaftlicher Normen, denen sich die griechischen Frauen nicht hinreichend entziehen. So liegt das Grundübel bereits in der Erziehung, die an dieser Stelle nun explizit auch für die weibliche Jugend thematisiert wird; sie bereitet die Mädchen nämlich ausschließlich auf die vollständige Erfüllung des Rollenklischees als willige Sklavinnen im eigenen Haushalt vor:
"Du weißt vermutlich, wie wenig bei der Erziehung der Griechischen Töchter in Betrachtung kommt, daß sie auch eine Seele haben, und daß die Seele kein Geschlecht hat. Sie werden erzogen um so bald als möglich Ehfrauen zu werden; und der Grieche verlangt von seiner ehlichen Bettgenossin nicht mehr Geist, Talente und Kenntnisse, als sie nötig hat, um (wo möglich) schöne Kinder zu gebären, ihre Mägde in der Zucht zu halten, und die Geschäfte des Spinnrockens und Webstuhls zu besorgen."
Die Seele hat kein Geschlecht – mit dieser Formel beruft sich Lais auf eine allgemeine, geschlechtsunabhängige Menschenwürde, die jegliche Instrumentalisierung von Personen zu Zwecken, die außerhalb ihrer selbst liegen, prinzipiell untersagt. Den griechischen Frauen wird gerade nicht zugestanden, was Aristipp und andere männliche Figuren von Jugend an verfolgen, nämlich die umfassende Ausbildung ihrer Person. Junge Mädchen werden gezielt an Geist und Seele verkürzt, um später ihre bescheidenen Aufgaben demütig und ohne Auflehnung zu erfüllen; sie werden von jeglichen über den Haushalt hinausgehenden sozialen Kontakten ausgeschlossen.
Eben die Vielfalt und Qualität sozialer Kontakte ist es jedoch, die der vielfältig begabten und selbstbewussten Lais über alles gehen. Da die Frauen ihrer Generation davon durch ihre Erziehung systematisch ausgeschlossen sind, bleiben ihr nur die vorher so arg geschmähten Männer als gleichwertige Gesprächspartner: Gegen die "tödliche Langeweile" hilft nur "gute Gesellschaft, oder was in Griechenland wenigstens eben so viel ist, Männergesellschaft." In diesem Zusammenhang taucht mit dem Begriff des Umgangs ein weiterer Topos aus dem Umkreis der Geselligkeitsideale (wie Urbanität oder Poliziertheit) auf. Der gute Umgang ist für Lais "das einzige Mittel wie sie selbst entwickelt und gebildet werden kann". Ebenso hatte Aristipp gezielt den Kontakt mit Sokrates gesucht, um im alltäglichen Miteinander von seiner Weisheit zu lernen. Offensichtlich ist der "Umgang" die angemessene Form eines lebendigen Lernens an Vorbildern, die mit den Maximen ihres Handelns zugleich ihre Persönlichkeit vorführen. Werden die Frauen von diesem geselligen Umgang ausgeschlossen, verlieren nicht nur sie selbst, sondern auch die gute Gesellschaft ein gutes Teil an zusätzlichen Kultivierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten. Aristipp betont denn auch die allseitigen Vorteile, die die liberalere Behandlung der Ehefrauen in seinem eigenen Haushalt in Cyrene allen verschafft habe:"ohne sie [die Frauen] würden wir nur mit halbem Mute fröhlich sein können; denn sie sind uns so unentbehrlich als Pindars Grazien den Göttern."
Auch am Beispiel der Geschlechterproblematik kann man so sehen, wie dicht zentrale Themen und Darstellungsformen des Romans miteinander verknüpft sind: Die Benachteiligung der Frau ist gleichzeitig ein pädagogisches, gesellschaftliches, historisches und kulturelles Problem - und offensichtlich ebenfalls von bleibender Aktualität.
Eine weitere, "moderne" Lesart wäre die Lektüre des Aristipp als psychologischer Roman, der neben interessanten Charakterstudien auch ganz konkrete Lebenshilfe zu bieten hat. So könnte man die Titelfigur durchaus als Modell eines modernen, kulturell vielseitig interessierten, gesellschaftlich engagierten Intellektuellen lesen, der einen gezielten "Lebensplan" verfolgt (und das ganz ohne personal trainer!) Dieser Lebensplan beruht auf der reflektierten Analyse der eigenen Anlagen – der "individuellen Form" seiner Natur, seiner genetischen Grundausstattung, wie wir vielleicht sagen würden – und der daraus resultierenden Verpflichtung zu ihrer Ausbildung wie Darstellung im Leben – also, dem was man aus seinen natürlichen Anlagen unter bestimmten Umgebungsbedingungen und äußeren Einflüssen macht. Dabei ist Aristipp ein wahrer "Mann ohne Eigenschaften", um Robert Musil zu zitieren: vielseitig begabt, von gleichmütigem Temperament und auch durch äußere Glückumstände privilegiert, sprich: reich. Er selbst sieht das positiv:"Aber freilich interessiert mich auch beinahe Alles in der Welt". Deshalb betreibt er neben der Grundausbildung in Philosophie und Rhetorik bei Sokrates und Hippias auch Musik und Astronomie bei den Pythagoräern sowie als Hobby-Botaniker Natur- und Kräuterkunde. Nach der Beendigung seiner odysseeischen Studienreisen jedoch tritt die Selbstausbildung zurück, um in einer neuen Lebensphase der "Mitteilung" seiner Kenntnisse und Fähigkeiten größeren Raum zu gewähren – ein Verhalten, das er letztlich auch Lais anempfiehlt, die sich jedoch wesentlich unflexibler zeigt und dafür vom Leben selbst bestraft wird. Aristipp gehorcht hingegen dem allgemeinen biologischen Lebensrhythmus – "Ich fange an sehr lebhaft zu fühlen, daß uns beim Eintritt in die männlichen Jahre eine bestimmtere Art von Beschäftigung immer unentbehrlicher wird" – und einer sozialen Verpflichtung: "Indem ich andere lehre, bringe ich meinen eigenen Vorrat alles dessen, was ich durch Erfahrung, fremden Unterricht, Reisen, Forschen und Nachdenken erworben habe, in bessere Ordnung, sehe was davon für mich selbst und andere brauchbar ist".
Doch Aristipp wirkt nicht nur direkt pädagogisch, sondern auch mittelbar durch seine Tätigkeiten als Kultursponsor in seiner Heimatstadt, dem nordafrikanischen Cyrene, und schließlich wohl am stärksten durch die vorbildliche Wirkung seines als "kleine idealische Republik" beschriebenen Familienverbandes auf Freunde und Bekannte. Sein Bürgerleben weist die gleiche Zielstrebigkeit und ein ähnlich hohes Reflexionsniveau wie seine Ausbildungsphase auf. In Cyrene macht er es sich zur Gewohnheit, sich nach den Zerstreuungen des Alltags nachts zurückzuziehen und in den dadurch gewonnenen "Digestionsstunden meines Geistes, die zu meiner Lebensordnung so notwendig sind", über die Ereignisse des Tages Rechenschaft abzulegen. Aus all dem wird ersichtlich: Aristipp betreibt seine "Selbstverwirklichung" nicht als unverbindliches Hobby oder Ego-Trip, sondern als arbeitsreiches Pflichtprogramm mit straffen äußeren Strukturen. Dabei können einzelne Lebensphasen unterschiedlich gestaltet werden; wichtig ist aber, daß sie gestaltet werden müssen, und daß Aristipp auch im gemächlichen Bürgerleben in Cyrene gezielte Anstrengungen unternimmt, um an der allgemeinen kulturellen Kommunikation teilzunehmen wie auch die eigenen Kenntnisse, wenn schon nicht weiter zu entwickeln, so doch zumindestens auszuwerten und zu systematisieren.
Es ist kein Zufall, dass Aristipp seinen Lebensplan eng an seine Heimatstadt, das nordafrikanische Cyrene, bindet. Damit geht der psychologische Roman direkt in einen politischen über: Cyrene verdeutlicht nämlich gleichzeitig exemplarisch die Diskussion um die Vor- und Nachteile verschiedener Regierungsformen, die ebenfalls ein zentrales Romanthema ist und sowohl praktisch vorgeführt wie auch theoretisch diskutiert wird (ausführlich dann im vierten Buch am Beispiel der platonischen Politeia). Vieles erinnert dabei in überraschender Weise an aktuelle politische Entwicklungen, beispielsweise nach dem Zusammenbruch des Kommunismus in den osteuropäischen Teilstaaten. Zu Beginn der Handlung befindet sich Cyrene in einem sehr labilen Zustand: Nach dem Erlöschen der letzten Herrscherlinie hatte sich für kurze Zeit eine "ziemlich anarchische Demokratie" entwickelt, die bald darauf unter allgemeiner Zustimmung in eine Aristokratie gewandelt wurde. Diese ließ sich zwar trefflich an, degenerierte jedoch innerhalb dreier Generationen zu einer streitsüchtigen Oligarchie. Das weitere Schicksal Cyrenes scheint sich zunächst durch traditionelle Mittel der Machtpolitik, nämlich gewalttätige Auseinandersetzungen und kaltblütige Intrigenmorde, zu entscheiden: Die bösen Oligarchen besiegen die patriotischen Demokraten unter Einsatz von Söldnerheeren und fortschrittlicher Waffentechnik in einer Entscheidungsschlacht auf dem Marktplatz; die Überlebenden gehen in den Untergrund, und die Sieger reduzieren sich selbst von einem Triumvirat auf einen einzigen Aspiranten, der sich zum König krönen läßt. Der neue Alleinherrscher Ariston ruft Brot und Spiele aus und fällt dem Wohlleben in vollem Maße anheim. Offensichtlich vernachlässigt er dabei seine Führungsaufgaben aber zu stark, denn seine Regierungszeit ist nur von kurzer Dauer; und nach seinem unblutigen Sturz setzt sich ein aus Schaden klug gewordener Konvent zusammen, um nun, "wo nicht die beste Verfassung, die sich denken läßt, wenigstens die beste, die unter den gegenwärtigen Umständen möglich ist, zu geben".
Nach einem reichlich blutigen Vorspiel scheint sich in Cyrene alles zum Besten zu wenden; man hat aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und vertraut nun nicht mehr nur den Personen, sondern will ihnen mit einer ausgeklügelten Verfassung gleichzeitig Grenzen setzen und positiven Gestaltungsraum schaffen. Deren Vorbild ist die alte solonische Verfassung für Athen, die Aristipp im zwölften Brief des ersten Buches ausführlich geschildert hatte. Während das athenische Modell dabei stark an moderne Mehrkammersysteme erinnert, gemahnt die cyrenaische Verfassung im Detail eher an eine Kommunalverwaltung – was ja der unterschiedlichen Größendimension der beiden Stadtstaaten durchaus angemessen erscheint. Die Machtverteilung zwischen den verschiedenen Interessen- und Standesgruppen ist auch hier der erste Grundsatz. Im 100köpfigen Senat sind die ältesten Familien der städtischen Aristokratie auf Lebenszeit repräsentiert. Er steht unter der Leitung eines Epistates als Siegelverwalter und ausführendes Organ mit unbedingter Befehlsgewalt. Dieser soll die rasche und zielstrebige Umsetzung von beschlossenen Maßnahmen befördern und verhindern, daß im Marsch durch die Institutionen Projekte und Entscheidungen verzögert und lahmgelegt werden. Seine sehr starke Machtposition soll dadurch vor Korruption bewahrt werden, daß sie nur für 30 Tage gilt. Der Senat tagt regelmäßig und häufig, nämlich sechsmal im Monat, und hat unmittelbare legislative, judikative und exekutive Gewalt. Den Gegenpol zur aristokratischen Oberkammer bildet der große Rat der Volksversammlung mit 192 auf Zeit gewählten Vertretern der verschiedenen Stadtquartiere. Er hat eine Art Vetorecht bei allen Gesetzen, die die Gemeinschaft als Ganzes betreffen, und entscheidet mit über die existentiell wichtigen Fragen von Krieg und Frieden.
Der komplizierten Konstruktion sieht man unschwer die Grundsätze an, die die cyrenaischen Verfassungsväter geleitet haben. Zum ersten sollte dafür gesorgt werden, daß die im Volk vertretenen ständischen Gruppierungen "in einer ziemlich zweckmäßigen Proporzion" vertreten sind. Deshalb gibt es sowohl quantitative wie auch qualitative Gewichtungen und nicht nur einen einfachen Zahlen- und Besetzungsschlüssel: Der Senat ist zwar deutlich kleiner als die Volksversammlung, aber nicht in dem Maße, wie es der realen Bevölkerungsverteilung entspricht. Zudem werden im Senat alle Funktionen mit persönlicher Verantwortlichkeit angesiedelt, also Minister- und Verwaltungsposten, während die Volksversammlung nur als Kollektiv agiert. Proportional bedeutet hier also offensichtlich nicht "one man, one vote", sondern jeder nach seinen Fähigkeiten –und diese werden bei den Mitgliedern der Aristokratie in einem höheren Maße vorausgesetzt als beim ungebildeten Volk.
Der zweite Grundgedanke der Verfassung ist: Der Staat muß unter allen Umständen handlungsfähig bleiben und schnell auf veränderte politische Situationen reagieren können. Deshalb sind die traditionellen drei Gewalten der Legislative, Exekutive und Jurisdiktion im Senat vereint bzw. in der Ausführung noch stärker auf den Senatsvorsteher, den Epistates als eine Art Kanzler konzentriert. Die kurzen Beratungs- und Entscheidungszyklen tragen ebenfalls zur Beschleunigung der politischen Willensbildung wie -ausübung bei.
Zum dritten enthält die Verfassung ein starkes und vor allem strafbewehrtes Verantwortungsprinzip. Die allgegenwärtige Korruptionsgefahr soll durch mehrere Maßnahmen eingedämmt werden. Die erste ist ein striktes Rotationsprinzip mit Fristen, die um so kürzer sind, je größer die Machtspielräume der einzelnen Positionen sind; also eine extrem kurze Amtsdauer von nur 30 Tagen für den Epistates als Kanzler und ein Jahr für die Präsidenten, die Eparchen. Auf Lebenszeit sind allein die Mitglieder des Senats bestellt; allerdings gibt es hier ein Mindestalter von 35 Jahren. Das aristokratische Prinzip der Auswahl der Besten schimmert auch hier deutlich durch: Wer zur gesellschaftlichen Elite gehört, erhält ab einem gewissen Alter eine Art politisches Reifezeugnis summarisch ausgestellt, das allein im Vertrauen auf seine privilegierte Ausbildung und seine umfassendere Welterfahrung gründet.
Zum vierten und letzten liegt in der Verfassung von Cyrene schließlich ein Schwerpunkt auf Gesetzgebung und Rechtsprechung. Der dadurch ausgedrückte Geist der Gerechtigkeit soll den Zusammenhalt der Bürgerschaft gewährleisten, der nicht mehr unmittelbar in einem gemeinsamen Verteidigungs- oder sonstigen Interesse oder einer sympathetischen Anmutung gegeben ist (auch hier fühlt man sich deutlich an aktuelle Diskussion um die Rolle der "sozialen Gerechtigkeit" als Grundlage der Demokratie erinnert).
Doch selbst diese so fein ersonnene und austarierte Verfassung ist nur von kurzer Lebensdauer. Mit Aristipps Bruder Aristagoras stirbt der "wahre Urheber und die stärkste Stütze unsrer dermaligen Verfassung"; es drohen neue Unruhen von Seiten eines der alten Adelsgeschlechter und ein Rückfall in die Zeit des oligarchischen Parteienstreits. Wiederum hängt das politische Schicksal an den Personen – und die sind nun einmal sterblich. Mit der Verfassung von Cyrene scheitert deshalb keine ideale Republik im Sinne Platons, sondern die ziemlich reduzierte Hoffnung auf die Begründung eines Staates allein aus einer Rechtsform heraus;und Aristipp räsonniert deshalb ungewohnt kulturpessimistisch:
"Ist es nicht ein niederschlagender Gedanke, daß noch kein Volk auf dem Erdboden Verstand genug gehabt hat, das, was bisher bloß Sache des Zufalls war, zu einem Werke seiner Verfassung und seiner Gesetze zu machen? Und wo ist das Volk, von welchem ein solches Kunstwerk (vielleicht das größte, dessen der menschliche Verstand fähig ist) zu erwarten wäre?"
Die letzte Frage läßt der Roman offen für die Zukunft. Davon unabhängig kann jedoch die abstrakte Frage nach der besten Staatsform schon aus dem Grund nicht entschieden werden, weil sie nur historisch und relativistisch geklärt werden kann. Eine förmliche Streitrunde, an der sich Aristipp öffentlich in Syrakus beteiligt, endet denn auch mit der klassischen Kompromißformel:
"Jede Regierungsart hat ihre eigene Vorzüge und Gebrechen; wiegt man sie gehörig gegen einander, so gleicht sich, wechselsweise, diese durch jene und jene durch diese aus, und was übrig bleibt, ist so unendlich wenig, daß es die Mühe nicht verlohnt, darum zu hadern".
Im engen Zusammenhang mit den politischen Themen stehen im Roman philosophische Grundfragen nach der Natur des Menschen, dem Gattungsziel der Menschheit und ihrem wesentlichen Charakteristikum, der Humanität. Der Roman selbst geht bemerkenswert sparsam mit dem um 1800 schwer bedeutungsbeladenen Begriff um. Er hat jedoch eine Art strukturelles Synonym, das sich umso häufiger findet, nämlich das Konzept der Mäßigkeit, das Wieland von seinen antiken Gewährsautoren wie Horaz übernimmt. Wie sehr dieses mit der Menschlichkeit zusammenhängt, zeigt eine Stelle im vierten Buch. Eurybates übernimmt dort von Aristipp die "Redensart" des "menschlichen Menschen", der "für alles Menschliche das rechte Maß findet, und sich in Allem auf der Mittellinie zwischen zu wenig und zu viel mit Sicherheit und Leichtigkeit sein ganzes Leben durch" bewegt. Diese Mittellinie ist dadurch gekennzeichnet, daß sie den Menschen weder zu stark an die Götter noch an die Tiere annähert. Sie hat deshalb nichts zu tun mit der in der Moderne stark in Verruf geratenen "Mittelmäßigkeit", der die prinzipielle Ablehnung jeglicher Außerordentlichkeit, Genialität oder Idealität zugunsten einer spießbürgerlichen Selbstbescheidung der von Natur aus Minderbegabten unterstellt wird. Es geht vielmehr um einen ständigen Ausgleich im Bewusstsein der möglichen Extreme, um die Suche nach einem menschlich angemessenen Handeln, immer wieder und in jedem Einzelfall aufs Neue, um einen heiklen Balanceakt zwischen Über- und Unterforderung, die beide auf die Dauer gefährliche Folgen haben, sowohl für das Individuum als auch für die Gesellschaft.
Die Notwendigkeit zur Mäßigung ist eine der Grundlehren des Romans, die für viele Bereiche gilt und diese verbindet: Sie sollte die Politik und die rechtliche Verfassung eines Staates ebenso bestimmen wie den Lebenswandel des Individuums, die Volksmentalität wie die sozialen Beziehungen. Deshalb werden Cyrene und Milet für ihre "goldne [...] Mittelmäßigkeit" gepriesen, und deshalb wird Athen immer wieder für seine Maßlosigkeit getadelt. Das verbindet Athen auch mit Lais, die ebenfalls nicht gerade ein Musterbild der Mäßigkeit ist; für den Cyrenaiker Aristipp hingegen gehört die "Mäßigung" zu den Grundfesten seiner Philosophie wie auch seiner sorgfältig konstruierten lebensweltlichen "Diät".
Um Mittleres, Vermittlung und goldene Mittelmäßigkeit als immens humanistische und im besten Sinne "bürgerliche", nicht aber spießbürgerliche Werte geht es also im Aristipp, wohin der Blick auch fällt. Diese Form der Humanität muß jedoch wie alles andere auch erarbeitet werden. Denn widerstrebende Tendenzen sind im Roman durchaus vorhanden und werden nicht verschwiegen: Dazu zählen zum einen menschliche Eigenschaften wie das Machtstreben, die Eitelkeit, die Prachtliebe, die Leidenschaftlichkeit im allgemeinen, die aus der sinnlichen Natur des Menschen resultieren, wie zum anderen solche, die in seiner geistigen Natur begründet sind: die Schwärmerei, der Stolz, die Rechthaberei, die Neigung zur Weltflucht. Daß die Mitte aus einem ständigen aktiven Balanceakt zwischen Extremen besteht, zeigt beispielsweise die Beschreibung von Aristipps Hauswesen in Cyrene:
"In seinem Hause herrscht Ordnung ohne ängstlichen Zwang, Zierlichkeit ohne Pracht, und Überfluß ohne Verschwendung." Die Mäßigkeit als Ideal läßt sich deshalb kaum in Worten beschreiben, da sie ein harmonischer Gleichgewichtszustand ist, der immer wieder neu austariert werden muß. Deshalb versucht Wieland in seinem Roman, möglichst viele und unterschiedliche Beispiele für exemplarische erfolgreiche Mäßigungsprozesse bzw. für lokale Maxima von Humanität auf verschiedenen Gebieten darzustellen. Denn wenn die Humanität im wirklichen Leben nur auf begrenzten einzelnen Gebieten vollwertig ausprägt werden kann, dann ist es gut, möglichst viele spezielle Vorbilder vorrätig zu haben, an denen man sich orientieren kann; einen Kanon also, und damit etwas, was in der Moderne ebenfalls stark als autoritär und bevormundend in Verruf geraten ist.
Nur das jedoch kann ein Kanon sein bzw. werden, was in einer festen Form der Darstellung vorliegt; Sokrates’ Leben und Wirken wären der Nachwelt verloren, wenn sie nicht schriftlich überliefert würden. Der Verlust wäre in diesem Fall kaum zu überschätzen:
"Ein solcher Karakter in einem solchen Leben dargestellt,würde für die Formen und Proporzionen des sittlichen Menschen eben das sein,was der Kanon des Polykletus für die richtigsten Verhältnisse des menschlichen Körpers. Denn unleugbar gibt es in beiden ein Schönstes, über welches die Fantasie nicht hinausgehen darf, wenn sie des wahren Ebenmaßes nicht verfehlen,und statt schöner Gestalten schöne Ungeheuer hervorbringen will."
Das Zitat zeigt noch einmal die enge Verbindung der für den Roman so zentralen Begriffe von Kanon, Mäßigung und Humanität. In der Darstellung der Person und des Lebens von Sokrates als Kanon, als ideale sittliche Verhaltensnorm für den Leser, findet er seine eigentliche Mitte und sein Ziel; und in den daraus ableitbaren Formprinzipien von natürlichem Gespräch, Einheit in der Mannigfaltigkeit und richtigen Proportionen der Teile zum Ganzen erhält er seine Gestalt; womit wir bei der Formgestalt des Romans selbst wären.
Es handelt sich beim Aristipp um etwas, was die Forschung einen "polyphonen Briefroman" genannt hat (im Gegensatz beispielsweise zum wohl berühmtesten Briefroman des 18. Jahrhunderts, den Leiden des jungen Werthers, in denen nur die Titelfigur Briefe schreibt, der also ein- statt mehrstimmig ist). Das Textkorpus besteht aus insgesamt 144 Briefen, verteilt über vier Bücher; bei ca. der Hälfte, nämlich 82, ist Aristipp der Sender, bei 52 Briefempfänger, nur an 10 Briefen ist der Titelheld völlig unbeteiligt. Ein weiterer Schwerpunkt liegt bei Lais, die 26 Briefe schreibt und ebenso viele empfängt. Um diese beiden Gestalten als Figurationszentren gruppieren sich verschiedene Korrespondenten: die meisten sind Freunde, einige Familienmitglieder, darunter bekannte Philosophen und Künstler.
So verschieden wie die Korrespondenten selbst sind auch ihre Briefe: Sie dienen der reinen Kontaktaufnahme oder der Übermittlung von Neuigkeiten, enthalten Geschehensberichte und Erzählungen, legen ein Problem dar, geben protokollartig oder frei Gespräche und Symposien wieder. Dabei sind sie meist eher unauffällig auf die Person des Empfängers ausgerichtet, behandeln also ganz selbstverständlich nur Dinge, von denen der Absender annimmt, daß sie von Interesse für den Adressaten sind; eigentlich Persönliches oder gar Intimes kommt selten zur Sprache. Individuelle sprachliche Eigenheiten spiegeln sich ebenfalls eher zurückhaltend in der Schreibweise: Natürlich sind Lais’ Briefe kleine Feuerwerke von Witz und Ironie; und Aristipps Schreiben zeugen von flinker Auffassungsgabe, urbaner Diskretion und philosophisch-analytischem Scharfsinn – insgesamt jedoch herrscht durchgehend der elaborierte Sprachgebrauch einer Hochsprache. Trotzdem sind die Briefe nicht im mindesten steif oder gar formal; Aristipp entschuldigt sich sogar für ihren digressiven Charakter zu Beginn des ersten Buchs ein- für allemal bei seinem Freund Kleonidas:
"Du wirst dich, wie ich sehe, schon daran gewöhnen müssen, lieber Kleonidas, daß ich nicht lange in meinem Wege fortgehen kann, ohne bald auf diesen bald auf jenen Gegenstand zu stoßen, der mich zu einer kleinern oder größern Abschweifung verleitet. In sofern ich dir nur keine Langeweile mache,wird es dir übrigens gleichviel sein, was für einen Weg ich dich führe, da meine Briefe bloße Spaziergänge für dich sind."
Die Briefform bietet damit das Gerüst für einen Roman, der sich aus den Stimmen einzelner zusammensetzt und nur einen Herausgeber, nicht aber einen Erzähler hat. Dabei nutzt Wieland die beiden spezifischen Möglichkeiten, die dem Briefroman im 18. Jahrhundert zugeschrieben wurden, in sehr unterschiedlichem Maße: Es geht kaum um die expressive und spontane Darstellung von Individualität à la Werther;diese würde zu sehr gegen das romaninterne Kommunikationsmodell der Urbanität verstoßen. Aber es geht um so mehr um die Darstellung von Problemen aus verschiedenen Perspektiven, die der Grundüberzeugung Wielands entspricht, dass Dinge niemals nur eine Seite haben. Dabei sorgt die quantitative Konzentration auf die Figuren Aristipp und Lais dafür, daß die Stimmenvielfalt nicht zu einem akustischen Chaos führt, sondern meist eine Leitlinie der Meinungsbildung vorgegeben ist, von der sich andere Figuren dann in verschiedene Richtungen und in unterschiedlichen Graden absetzen können.
Die für die Romanstruktur entscheidende Haupteigenschaft der Briefform ist jedoch ihre Füllungsfreiheit. Als formale Rahmenstruktur kann der Brief verschiedene weitere Gattungen in sich aufnehmen; insofern fungieren die jeweiligen Briefschreiber als personale Erzähler, die Geschichten, Gespräche, philosophische Abhandlungen weiter vermitteln. Kurzgefaßt: Der Brief ist im Aristipp das ideale Medium zur formalen Repräsentation von Intersubjektivität, nicht von Subjektivität. Er bezieht durch seine Struktur einen Sprecher auf einen Hörer, ohne gleichzeitig als Medium allzu stark in den Vordergrund zu treten. Wie ein Spaziergang ist er ziellos und in der Bewegungsart frei; er kann sich dem verschiedenen Tempo der Begleiter anpassen, von verschiedenen Standorten Vor-und Rückblicke schweifen lassen und findet seine Erfüllung im Vollzug seiner selbst, nicht im Erreichen eines Ziels. In Abwandlung eines bekannten medientheoretischen Aphorismus könnte man sagen: Nicht das Medium, aber die Kommunikation überhaupt ist die Botschaft.
Diesen Befund unterstützt der über die Briefstruktur hinaus pointiert dialogische Charakter des Romans. Im Aristipp sind vorzugsweise dialogische Genres wie der philosophische Dialog oder die Symposienliteratur vertreten. Dabei ist die Wahl gerade dieser Gattungstraditionen keinesfalls willkürlich, sondern steht mit den Themen des Romans in engem Zusammenhang. Im maieutischen Zweiergespräch entwickelt Sokrates seine lebenspraktische Weisheitslehre; im rhetorischen Streitgespräch prägen die Sophisten wie Hippias ihre materialistisch geprägten Ansichten zur besonderen Überzeugungskraft aus; in der geselligen Runde pflegen die Gäste der Lais einen freien Austausch von Meinungen und Persönlichkeiten; und im eigenartigen platonischen Pseudo-Dialog meldet eine idealistische Philosophie ihren dogmatischen Geltungsanspruch an. Die Gesprächsarten selbst verkörpern bereits unterschiedliche Haltungen im Umgang mit Meinungsvielfalt sowie Geltungs- und Wahrheitsansprüchen. Für Arno Schmidt, einen der bekanntesten Apologeten des lange Zeit verkannten und unterschätzten Wielandschen Spätwerks insgesamt, war gerade diese Formanlage eines der höchsten Qualitätskriterien des Romans: "von mehreren Schauplätzen empfängt der Leser jeden Brief selbst; in immer erneuter Gegenwart; aus Kyrene und Athen spricht es zu ihm; schönste, kunstvoll sich entwickelnde Menschlichkeiten sind ins bedeutend Historische und Kulturgeschichtliche gewoben; organisch selbst die, nur dem Unkundigen langweiligen, in Wahrheit unschätzbaren Erörterungen über Anabasis und Politeia: der 'Aristipp' ist, wie der einzige 'historische', so auch der einzige 'Briefroman', den wir Deutschen besitzen, mit Ehren vorzeigen können".
Ich komme zum Schluss des Romans und meiner Ausführungen (bevor sie endgültig genauso lang werden wie der Roman). Der Aristipp endet nicht nur offen (wie es sich für einen wahrhaft modernen Roman gehört), sondern auch melancholisch: Der Tod von Aristipps Ehefrau Kleone zeichnet sich am Horizont ab (ebenso wie der Tod von Wielands eigener Gattin, die wenige Monate nach dem Abschluss des vierten Bandes starb), die politische Lage in Cyrene ist nach dem Tod von Aristipps Bruder wieder instabil geworden, und Aristipp tut das, was er bereits zu Beginn des Romans getan hatte: Er geht wieder auf Reisen. Seinem Verleger Göschen hatte Wieland zwar mehrfach einen weiteren fünften Band angekündigt; diesen fünften Band hat er aber nicht mehr geschrieben. Die Vermutung liegt nahe, dass dem nunmehr 80jährigen nach dem Tod seiner Gattin im Jahre 1801 und dem Verkauf des Osmantinums 1803 die Kraft, aber auch die rechte Stimmung fehlte, das Monumentalwerk noch einmal vorzunehmen. Jan Philipp Reemtsma hat darauf hingewiesen, dass die beiden nun folgenden kleinen Romane, Menander und Glycerion und Krates und Hipparchia; in vielerlei Hinsicht als Bestandteil eines solchen fünften Teils gelesen werden könnten. Insofern muss es dem Leser überlassen werden, das Romangespräch fortzusetzen und am Leben zu erhalten. Wieland selbst hatte zumindest einen guten Schluss angekündigt, auch wenn er bereits die Probleme voraussah, die im fünften Teil durch das Verschwinden der schönen Lais entstehen würde; an Göschen schrieb er:
"Zum Unglück war es eigentlich nur die schöne Lais, die unsern Lesern den Aristipp so schmackhaft machte, und diese ist nun leider! Verschwunden und befindet sich an einem Ort, von wannen keine Wiederkehr ist.Doch wird auch für diesen Abgang im 5thn Theile nach Möglichkeit gesorgt werden, und an Mannigfaltigkeit und Interesse für gebildete Leser soll es nicht fehlen, und ich hoffe, es soll auch hier heißen: Ende gut, Alles gut.
Wissenschaftliche Publikationen
Narrative Kulturkonzepte. Wielands Aristipp und Goethes Wilhelm Meisters Wanderjahre. Zu Begriff und Theorie der Kultur in Wissenschaften und Literatur. Heidelberg 2006.
Von der Schwärmerkur zur Gesprächstherapie. Symptomatik und Darstellung des Schwärmers in Wielands Don Sylvio und Peregrinus Proteus. In: Wieland-Studien Bd. II (1994), S. 33-53.
Ein »bloß menschlicher Mensch« zu sein – zum Humanitätsbegriff in Wielands Essays. In: Volker C. Dörr/Michael Hofmann: »Verteufelt human?« Zum Humanitätsideal der Weimarer Klassik. Berlin 2008, S. 69-84.
Was ist Wahrheit? Skeptischer Zweifel und Gefühlsgewissheit bei Rousseau, Hume und Wieland. In: Skepsis und Literatur in der Aufklärung. Hg. von Jutta Heinz und Cornelia Ilbrig. Hannover 2008 (= Wezel-Jahrbuch. Studien zur europäischen Aufklärung 10), S. 57-76.
»Feereyn« oder »ganz einfache Geschichtchen«? – Dichterwillkür und »Dichterfreyheit« im Hexameron von Rosenhain. In: Walter Erhart/Lothar van Laak (Hg.): Wissen – Erzählen – Tradition. Wielands Spätwerk. Berlin 2010, S. 253–276.
Shakespeare im Teutschen Merkur. In: Wieland-Studien 8 (2013), S. 59-72.
Christoph Martin Wieland. In: Michael Hofmann (Hg.): Aufklärung. Epoche – Autoren – Werke. Darmstadt 2013, S. 91-106.
Kosmopolitismus vs. Parteigeist – Ästhetische Erziehung zur politischen Urteilskraft in Wielands Essays zur Französischen Revolution. In: Miriam Seidler: Die Grazie tanzt. Schreibweise Christoph Martin Wielands. Frankfurt a.M. u.a. 2013, S. 237-256.
Der „Hang zum Wunderbaren“ und die „Liebe zum Wahren“ - Märchen und Aufklärung bei Wieland. In: Fabula. Zeitschrift für Erzählforschung 55, 1/2 (2014), S. 66-86.
Wieland und die Frauen. In: Die Pforte. Veröffentlichungen des Freundeskreises Goethe-Nationalmuseum e.V. Heft 12 (2014), S. 27-54.
»In der That giebt es keine einfachere Wissenschaft als die Politik«. Der politische Wieland. Skizze eines Forschungsprojekts. In: Wieland-Studien 9 (2016), 237-254.
»Das Ganze durch eine geheime und gewissermaßen unbekannte Kette zu verbinden« – Zivilisierung und polyperspektivischer Briefroman bei Montesquieu und Wieland. In: Cahiers d'Etudes Germaniques 70 (2016), S. 251-266.
»Originalität«, »Genialität« und »Sexualität«. Wieland und die Frauen der Renaissance. In: Wieland-Studien 10 (2017), S. 183-204.